The Ocean – Pelagial

von am 30. April 2013 in Album

The Ocean – Pelagial

Das in Berlin (oder doch mal wieder in der Schweiz) angesiedelte mutinationale Kollektiv um Mastermind Robin Staps festigt seine Position an der Speerspitze des Post-Metal mit ‚Pelagial‚ eindrucksvoll. Obwohl Genre-Spezifizierungen für The Ocean spätestens mit dem sechsten Album der Band, ihrem bisher stärksten Gesamtkunstwerk, obsolet geworden sind.

Auch wenn The Ocean bereits auf dem vorangegangenen, zweiteiligen Konzept-Mammutwerk ‚Anthropocentric‚ und ‚Heliocentric‚ 2010 bis zur pathosgetränkten Pianoballade vorgedrungen sind: ihren ausschweifenden Tatendrang und musikalischen Forschergeist im Vermengen von Genres haben sie nie zuvor in kompaktere, schlüssigere Bahnen komprimiert (und auch: perfektioniert) als auf ‚Pelagial‚. Immer wieder brechen aus den weitreichenden Kompositionen Versatzstücke aus Metalcore oder Alternative Rock hervor, in den progressiven und technisch makellosen Spielrausch flechten The Ocean Szenen aus Tech-Metal ein (‚Bathyalpelagic III: Disequillibrated‚), verinnerlichen mühelos sich gen Doom schleppende Riffs (‚Benthic: The Origin of Our Wishes‚) oder rocken über Sludge-Momente und epische Soundlandschaften. Limitierungen kennen Dirigent Robin Straps und seine Gefolgschaft längst keine mehr auf ihrem Tauchgang durch den Heavy Metal; sie begegnen mühelos Facetten, die so auch Kollegen wie Isis, Gojira, Tool, Oceansize, Amplifier, Karnivool oder – Tatsache! – diesmal sogar mehr noch als auf den Vorgängern – Creed  (siehe etwa: ‚Abyssopelagic II: Signals of Anxiety‚) in die Karten gespielt hätten.

Mit der verhältnismäßig eigenschaftslosen aber durchwegs Potential aufzeigenden Post-Metal Band der Frühphase um ‚Fluxion‚ und ‚Aeolian‚ herum haben The Ocean also nur noch am Rande zu tun. Mitverantwortlich dafür ist natürlich auch Sänger Loïc Rossetti, dessen meinungsspaltendes Organ vom gutturalen Brüllen bis zum klaren Gesang mehr Facetten abdeckt, als die lange Gästeliste der erwähnten Alben, allerdings auch weitaus spezieller eingestezt wird, wenn Rosetti da mühelos vom bestialischen Brüllwürfel in den Trent Reznor und Scott Stapp-Modus umschalten kann. Man darf das im The Ocean Kontext mittlerweile scheinbar übliche Prozedere, Alben auch in reiner Instrumentalform aufzulegen jedoch diesmal noch weniger als zuvor als halbgare Kompromisslösung auslegen: tatsächlich macht diese Herangehensweise in Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Platte (Rossetti verliert seine Stimme/  sein Verbleib in der Band ist unklar/ die Band will die Ruhepause ihres Sängers mit einem Instrumentalwerk überbrücken/ als dieses bereits nahezu vollendet ist erscheint der wieder genesene Rossetti wieder auf der Bildfläche /wie im Wahn wird der variantenreiche Vokalist unerwarteterweise doch in die Fertigstellung der Platte gesogen) allein dokumentarisch mehr Sinn denn je.

Vor allem aber lenkt die Instrumentalversion von ‚Pelagial‚ den Fokus auf zwei entscheidende Erkenntnisse: erstens, um wie viele Facetten Rosetti das sechste The Ocean-Album eindrucksvoll bereichert (wenn einem die hier doch eklatant dominierende Hinwendung zum beinahe konsenstauglichen Alternative Rock nicht auf der anderen Skala der Wahrnehmung vollends unbekömmlich aufstößt!)  und zweitens lässt sich anhand der gesangsfreien Version noch einwandfreier im Detail erkennen, dass ‚Pelagial‚ auch rein musikalisch ein unheimlich dynamisches, abwechslungsreiches und vor allem spannungsgeladenes Kunstwerk geworden ist.
Da ist die leicht angestrengt anmutende konzeptuelle, duale Hintergrundgeschichte hinsichtlich der verschiedenen Schichten der Weltmeere einerseits und sowjetischer Science Fiction anderseits gar nicht weiter maßgeblich. Denn auch ungeachtet dieser Überbauten zieht das von Jens Bogren (Opeth, Katatonia – zumindest erstere dürfen mittlerweile auch anstandslos als Referenz herhalten) fulminant produzierte Werk vom klaren Beginn bis zu rohen Ende nahtlos in seinen Sog aus atmosphärisch unheimlich dicht gewobenen Härtegraden, weitläufigen melodischen Spannungsbögen und gnadenloser intensiver Wendigkeit: Staps arrangiert die intuitiv wachsenden Passagen der Platte mit Piano- und Streicherpassagen, verschweisst ‚Pelegial‚ zu einem 53 minütigem Rausch. Dass The Ocean hiermit vielen Puristen in den eigenen Fanreihen ziemlich deutlich vor den Kopf stoßen könnten, dieses Wagniss zahlt sich hingegen aus: klarer rittert 2013 jedenfalls bisher kein Album mit Cult of Luna’s ‚Vertikal‚ um die Krone von allem, was zwischen Progressive und Post-Metal keine Kompromisse eingehen muss.

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