The Notwist – Ship
Das kann wohl nur eine Band mit der Klasse von The Notwist bringen: Die zerfahrene Ship-EP will auf sich gestellt nicht wirklich funktionieren, macht aber trotzdem enormen Bock auf den Nachfolger zu Close to the Glass von 2014.
Gefühlt handelt es sich bei den drei Songs hier nämlich eher um eine Standort-Demonstration der verschiedenen Projekte von Markus Acher, weniger um einen Teaser für das achte Studioalbum der Weilheimer, doch falsch: „This serves as an outlook on an upcoming album, which will be influenced by the band’s experiences from their detailed work of creating sounds and moods for film soundtracks, and it will include more collaborations with international guest musicians.“
Tatsächlich scheinen die Grenzen, die das Mutterschiff vermisst, nun also vielmehr optionale Begegnungsstätten geworden zu sein, an denen The Notwist sich von den sonstigen Archer-Bands inspirieren lassen.
Das titelstiftende Ship entfernt sich sogar weit von der Vorstellung, wie ein The Notwist-Song zu klingen hat, indem es kurzerhand auf den charakteristischen Gesang von Acher verzichtet und das Mikrofon alleine der Tenniscoats-Sängerin Saya überlässt, womit die Nummer als Vehikel ohne Trennmauern automatisch in die Nähe der gemeinsamen Spielwiese Spirit Fest rückt. Vor allem klingt Ship jedoch wie eine weniger hyperaktive Adaption von Portisheads Chase The Tear aus der Perspektive von Beak> und Stereolab, die sich dem perkussiongetriebenen Krautrock und der exotischen World Music irgendwo zwischen Radiohead und den Gorillaz öffnet. Das schippert abgedämpft pulsierend über das Schlagzeug und die mit moduliertem Synthie anziehende Rhythmik, der sedativ-hypnotisierende Gesang ist ebenso irritierend wie eingängig. Überhaupt: Was beim ersten Durchgang wenig begeistert, beiläufig und belanglos wirken kann, wächst doch mit jedem Durchgang, schärft aber auch die Gewissheit, dass Ship einen entsprechen (Album-) Kontext bräuchte, um wirklich zu funktionieren – den diese sprunghafte EP eben allerdings nicht bieten kann und will.
Immerhin bewegen sich The Notwist danach mit Loose Ends in typischen Gefilden, liefern einen ruhigen und balladesken Indie-Song, der im besten Sinne routiniert und souverän die Trademarks der Band bedient. Die weit entrückten Instrumente klimpern und schrammeln, nehmen dann entspannt an Fahrt aus der Melancholie auf, bekommen Kante. Sicher ist das unspektakulär und konventionell ausgerichtet, aber beides im absolut besten Sinne – alleine durch die Stimme von Acher, die unmittelbar ein so vertrautes, liebgewonnenes Flair entstehen lässt, und vor Augen führt, wie sehr man diese Band stets vermisst, wenn sie sich für ihren mittlerweile genormten Zyklus zwischen zwei Alben abseits der Konzertbühnen zurückzieht.
Dass Loose Ends von One Of These Days, einem Film von Bastian Günther, inspiriert wurde, ist dann auch deswegen interessant, weil sich erst das instrumentale Avalanche wie die Skizze eines vage plätschernden Soundtracks anmutet. Hier will zu guter letzt keine Euphorie entstehen, sehr wohl aber eine Neugier und gestiegene Vorfreude, wohin dieser Vorgeschmack letztendlich führen wird: Denn klingen The Notwist nach The Notwist, ist das eine Bank, die nichts falsch machen kann – als homogenisierende Projektionsfläche für externe, dominante Impulsgeber könnte das aber auf konsequentere Länge betrieben auch durchaus spannend werden. Selbst wenn es nicht zwangsläufig das ist, auf was man in seiner loyalen Komfortzone als Fan sechs Jahre gewartet hat.
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