The Notwist / Aloa Input [25.03.2015: Generalmusikdirektion, Graz]
„Viel Spaß mit The Notwist. Die werden übrigens jeden Abend besser!“ versprechen Aloa Input nach ihrem Set. Ist dem tatsächlich so, will man sich lieber gar nicht erst ausmalen, auf welchem Level die Weilheimer Institution um die Acher-Brüder da am Ende ihrer aktuellen Tour angekommen sein muss – denn schon in Graz ist deren Performance ein einziges, berauschendes Feuerwerk.
Und zu diesem Zeitpunkt haben The Notwist gerade einmal fünf Termine – knapp ein Viertel – der aktuellen Tour hinter sich. Ob da wahrhaftig noch Luft nach oben ist, spielt an diesem Abend in der trotz ungemütlichem Wetter draußen sehr gut gefüllten Generalmusikdirektion aber wohl ohnedies kaum eine Rolle, bleiben nach gut und gerne zwei furiosen Stunden doch keine Wünsche offen – erwartungsgemäß.
Denn dass The Notwist eine grandiose Liveband sind, das weiß man in Graz spätestens, seit die Weilheimer 2008 mit Gameboys bewaffnet das Orpheum zum Kochen brachten und den damals hinterlassenen Eindruck knapp sieben Jahre später abermals eindrucksvoll unterstreichen: The Notwist live, das ist vor allem schweißtreibender Rock, der die oft filigran ausgetüftelten Kompositionen der Studioplatten bloß als Ausgangspunkte für konsequent austreibende Soundexpeditionen hernehmen, die trotz all der impulsiven Energie und drückenden Wucht, mit der die Songs von der Bühne drängen genug Raum für viele Details und Spielereien lassen, wenn Markus Acher (wichtiges Detail: hat die saubersten Turnschuhe aller Anwesenden vorzuweisen, vermutlich auch das schlabbernste Sonic Youth-Shirt) seine Gitarre immer wieder schultert und als DJ die aufgetürmten Soundschichten mit zusätzlichen Plattensamples unterfüttert, die großartigen Tourmusiker fiese Gitarrenbreitseiten in das Geschehen hacken oder hinterm Xylophon mit ansteckendem Dauergrinsen die Mähne schwingen.
Dass Aloa Input die Erfahrung mit The Notwist touren zu können als lehrreich bezeichnen, ist insofern absolut nachvollziehbar. Dabei eröffnen die Bayern den Abend selbst auch bereits auf durchaus hohem Niveau. Ihr Indierock lässt immer wieder den Einfluss der Hauptband des Abends erkennen, streunt aber bis hin zu Bläsereinsätzen und gefinkelten Ideen über schön weitreichende Kompositionen, die sich nie auf das naheliegenste Ziel festlegen wollen, jedoch stets unverkopft an der Hand nehmen.
Auf die anfängliche geballte Ladung an Stücken vom unlängst erschienenen ‚Mars etc.‚ folgt noch eine Schippe älterer, quirligeren Songs, bevor man sich am Ende in einem stimmungsvollen Ruhepol gar vor Massive Attack verneigt. Eine insgesamt runde Sache und gute Wahl als Support – wenngleich die wirklich euphorisierenden Momente ausbleiben, kommt da bereits früh anerkennende Bewegung vor der Bühne auf und die richtige Stimmung ist gesetzt.
Auf dieser zelebrieren The Notwist dann auch richtig großes Kino, von der ersten Sekunde an erfüllt das die hohen Erwartungshaltungen quasi mühelos und überrascht zudem mit einer Setlist, die sich absolut nicht auf das aktuelle ‚Close to the Glass‚ fixiert, sondern durch nahezu alle Phasen der Band streift und vor allem das gut einstündige, reguläre Set wie im Flug vergehen lässt: ‚Good Lies‚ baut da mit einigen schiefen Einsätzen unmittelbar Spannungen auf, die der Titelsong des achten Studioalbums ganz grandios auflöst, indem The Notwist als große Percussionmaschine zum alles verschlingenden Rhythmusmonster werden und ihren Hit ‚Kong‚ gleich im Anschluss zu einem Krautexzess par excellence intensivieren.
Da spielt sich eine Band in einen weitschweifenden, aber kompakt zündenden Rausch, lässt mit Schönheiten wie ‚Boneless‚ verschnaufen und führt einmal mehr vor, dass vor allem die Songs vom unsterblichen ‚Neon Golden‚ für die Ewigkeit geschaffen sind: Wo ‚Pick Up the Phone‚ sich schnippelnd nahe am Original hält, explodiert ‚This Room‚ schon in seinem Intro (immer wieder muss man übrigens staunend feststellen, was The Notwist mit dem Schlagzeugvieh Andi Haberl nur seinerzeit für einen Glücksgriff gelandet haben!) und gibt sich danach bedrohlich tönend. Genau dieser unberechenbare, experimentelle Zugang hält auch alte Songs spannend, fügt Nummern von ‚Shrink‚ ebenso nahtlos in die Setliste ein wie ganz alte Bekannte ala ‚One Dark Love Poem‚.
Das punkig zum Noiserock getriebene ‚My Faults‘ eröffnet dann auch geradezu naheliegend die erste Zugabeserie, bevor The Notwist auf ‚Neon Golden‚ Loopschleifen aus ‚Different Cars and Train‚ aufschichten – der logische Zenit mit ‚Pilots‚ mutiert gar zur unerbittlich pumpenden Electroparty: Ein gut 20 minütger Beinahe-Medley-Monolith, bei dem Grenzen zwischen den Songs und Genres im sich verselbstständigenden Sog ohne Nahtstellen ineinander überfließen, die aufgebaute Atmosphäre sich dafür umso heftiger in zappelnde Beine und Hüften entlädt.
Der zweite Zugabenblock balanciert dann vor allem Dank des alles überstrahlenden Gänsehautgaranten ‚Consequence‚ den Abend mit intimer Zurückgenommenheit aus, bevor das stille ‚Gone Gone Gone‚ einen betörenden Bogen spannt. „We will never let you go“ haucht Acher da in eines seiner beiden Mikrofone – und wäre es nach dem Publikum gegangen, hätten die Deutschen im Umkehrschluss wohl auch gerne noch eine halbe Ewigkeit weiterspielen dürfen. Das hat einfach Klasse!
Glückliche Gesichter dementsprechend überall. Vor allem The Notwist selbst wirken auch im 26. Bandjahr noch so, als würden sie all das schlichtweg genießen (und dass sie nebenbei absolut unprätentios entgegenkommend sind, macht sie natürlich nicht unsympathischer), dazu faire Preise am Merchstand. Und am Heimweg die Gewissheit, wieder so einen rundum befriedigenden Konzertabend serviert bekommen zu haben, für den sich der Name Indiepartment längst ausnahmslos verbürgt.
Setliste:
1. Good Lies
2. Close to the Glass
3. Kong
4. Boneless
5. Into Another Tune
6. One With the Freaks
7. Pick Up the Phone
8. This Room
9. One Dark Love Poem
10. Gloomy Planets
11. Run Run Run
12. No Encores
13. GravityEncore:
14. My Faults
15. Neon Golden / Different Cars and Trains / PilotsEncore 2:
16. Chemicals
17. Consequence
18. Gone Gone Gone
Mehr – und vor allem ästhetischere – Fotos des Abends finden sich übrigens bei The Gap!
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