The National – Trouble Will Find Me
Matt Berninger sagt über die Songs von ‚Trouble Will Find Me‚ sie seinen „intuitiver und direkter“ als jene der bisherigen fünf Studioalben. Wo er mit erstem Punkt durchaus recht haben mag, irrt er sich im zweiten doch weitestgehend: ätherischer, verhaltener und ausformulierter haben sich The National noch nie der Vervollständigung ihres wehmütig-romantischen Wohlklang-Rock angenähert.
Als Nachfolger für den künstlerisch wie vor allem auch kommerziell durch die Decke gehenden ‚High Violet‚ haben die Gebrüder Dessner und Devendorf sowie Schmeichel-Bariton Berninger natürlich abermals bombensichere Songs geschrieben, die als Nachfolger von Instant-Hits wie ‚Bloodbuzz Ohio‚ und Konsorten nahtlos und ohne Anlaufzeit funktionieren. Ein ‚Sea of Love‚ etwa, dass hinter seinem nervös stampfenden Stakkato-Schlagzeug immer wieder Erlösung in einem ausholenden Refrain findet und bereits als Live-Bank vorgemerkt wurde. Das swingende ‚Graceless‚ (ehemals: ‚Prime‘) ebenso, mit einem beinahe ausgelassenem Twang-Tanz und den im Hintergrund so elegant pendelnden Gitarrenmustern. Sanftes, streicherinfizierte Rocksongs wie das beinahe glückselig nach vorne schunklende ‚Don´t Swallow The Cap‚; oder mit behebigeren Ausmaßen auch den in Zeitlupe rollenden Synthie-Ohrwurm ‚Demons‚ während ‚I Should Live In Salt‚ (heißt nicht mehr ‚Lola‘) sich mit seiner Akustikgitarre über emotionale Hügeln und Oboenfelder müht um große Gefühle auszubreiten.
Grundsätzlich kehren diese und zahlreiche weitere wenig sperrig aufgehende neue potentielle Lieblingssongs die beständige Zugänglichkeit von The National mit einer Unmittelbarkeit in die Auslage, wie sie sich ‚Trouble will Find Me‚ vor allem mit Fortdauer der Spielzeit immer weniger erlauben will. Denn grundsätzlich fächert das sechste The National-Album die Trademarks der Band – das pulsierend zirkulierende Schlagzeugspiel, Berningers herzwärmende Stimme und eine atmosphärisch unnachahmliche Stimmungsverdichtung über die flächig arbeiteten Saiteninstrumente – akribischer auf als allen Vorgängern.
‚Trouble will Find Me‚ ist selbst für The National-Verhältnisse ein unheimlich sorgfältig konstruiertes Werk geworden; ein dicht gestaffeltes in den traumhaften Arrangements, ein vielschichtig schimmernder Tauchgang in eine Dunkelheit, die vor allem Trost spendet. Über unzähligen Schichten türmen sich die sparsam in Szene gesetzten Ingredienzien, die nicht selten bis zum ambienten Klangmeer zu reichen gedenken. Wo der Inhalt nicht hochkomplex sein muss, ist es hier jedoch die Form, welche The National nahe der Vollendung ablichten. Berninger erzählt als Leithammel von den unverkennbaren Melancholiereigen der Band gediegener und gesetzter, meisterhaft, wie sonst im eigenen makellosen Schaffen nur auf ‚Boxer‚. ‚Trouble Will Find Me‘ strahlt eine verinnerlichte Ruhe aus, eine unumstößliche Selbstverständlichkeit und Absolutheit, in all dem majestätischen Schönklang und einer allgegenwärtigen Unaufgeregtheit der aktuellen Nick Cave-Großtat ‚Push the Sky Away‚ nicht unähnlich.
Zwischen all den kleinen und großen, schüchternen und selbstsicheren Indiehits strahlen diesmal jedoch vor allem die zurückgenommensten Elegien am hellsten und prägen ‚Trouble Will Find Me‚: ‚Pink Rabbits‚ lässt sein anmutiges Piano erhaben in torkelnder Leichtigkeit schweben. Die Gitarren im herzzerreißend bedächtigen ‚Fireproof‚ perlen als Seelenstreichler mit aller Zeit der Welt, ‚Heavenfaced‚ mutiert zur bedächtigen Song-Kathetrale samt großem Soul-Finale ohne Bombast.
The National haben auf niemals zu gleichförmige 55 Minuten keine einzige schwache Nummer abgeliefert, sondern einen 13 Song langen, sich ohne Ausfälle bewegenden Fluss: es muss nicht zwangsläufig daran liegen, dass die fünf bereits stärkere Einzelsongs abgeliefert haben als die hier aufgefahrenen – als Gesamtgefühe funktioniert ‚Trouble Will Find Me‚ beispiellos stimmig.
Besser als im überragenden ‚I Need My Girl‚ waren die fünf Brooklyner aus Ohio vielleicht trotzdem noch nie: eine einsam verrutschende Gitarrenlinie, weitläufige Synthielandschaften und perkussive Trommeln, die Woodkid eine Lehrstunde in Sachen Subtilität und maximaler Intensität aufzeigen – sind das The National wie sie zeitgenössischen R&B zwischen The XX und Bon Iver spielen? Eventuell gelingt dem Quintett hier allerdings auch einfach nur eben das noch besser, was The Walkmen im letzten Jahr mit ‚Heaven‚ anstrebten: als Reaktion auf den endgültigen Durchbruch wieder einen Gang zurückzuschalten, die eigenen Stärken mit einer verinnerlichten Selbstverständlichkeit auszuformulieren.
Referenzen, die man nur noch vage erwähnen möchte, spricht doch alleine die Tatsache, dass The National sogar die imposante Gästeliste (St. Vincent, Sharon Van Etten, Doveman, Sufjan Stevens, Nona Marie Invie von Dark Dark Dark und Richard Reed Parry von Arcade Fire) und das übliche breite Instrumentarium vollständig und bis zur Unkenntlichkeit assimiliert haben eine deutliche Sprache: ‚Trouble Will Find Me‚ ist die bisher klarste, textuierteste und unverfälschteste Sicht auf The National. Ein in sich geschlossenes Manifest all der Dinge, die man an den schrulligen Edel-Melancholikern lieben kann. Und natürlich trotzdem nicht einmal notwendigerweise das unbestritten bestes Werk einer Band, die es sich mittlerweile leisten kann über 6 Stunden den selben Song zu spielen.
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