The Microphones – Microphones in 2020
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Musikalische Memoiren: Phil Elverum reaktiviert nach der Rückkehr zu Lost Wisdom nun für Microphones in 2020 nach knapp zwei Dekaden Pause auch sein erstes legendäres Projekt, lässt im Mark Kozelek-Modus aber auch keinen Zweifel daran, dass es mittlerweile eigentlich keinen Unterschied mehr macht, unter welchem Namen er Musik veröffentlicht.
Entgegen seines Titels ist Microphones in 2020 keine Momentaufnahme, sondern vor allem auch ein Blick zurück. Wie alles seit A Crow Looked at Me (2017) ist auch die erste Microphones-Platte seit 2002 eine bisweilen unkaschiert autobiographische Standortbestimmung geworden, ein selbstreferentielles Aufräumen des persönlichen Gefühlhaushaltes von Phil Elverum, ein Verarbeiten des Gewesenen im Jetzt.
„I remember where I was/ When I was twenty, or seventeen, or twenty-three/ The disinterested sun would still rise every morning“ …/ I would drive out to the ocean and not tell anybody/ I watched Crouching Tiger, Hidden Dragon in a dollar theatre in Aberdeen/ It was a rainy matinée, 2001, Sunday, March 18th/ …/ When I was seventeen/ It was 1995/ I put the name „Microphones“ on the tapes I would make late at night after work at the record store/ …/ At first, I called my recordings a different name/ I called it „The Microphones“ on the third cassette I made/ Because I loved recording and the equipment seemed to be living/ …/ Beneath Mount Erie/ I was already who I am/ …/ It was early 2001 and I was almost twenty-three/ I’d finished recording The Glow Pt. 2/ And I was either always on tour or setting up a tour/ Because nothing’s really true/ With this imagined collective called „The Microphones“/ I wrote about climbing up and dying/ And then flying off as vultures/ And a universe beyond/ Innocent of the real air of death/ That awaited down the path/ Same as now„.
Und weiter in der Geschichte: „At the very end of 2002, I took the Microphones name and crumpled it up/ And burned it in a cave on the frozen edge of northern Norway/ I made a boundary between two eras of my life/ A feeble gesture at making chaos seem organized/ The roaring river carves on, laughing at my efforts/ While the idea of something called „Mount Eerie“ engulfed me/ …/ And time/ Refuses to stop/ Bands that break up and then reunite for money can do whatever they want/ But it makes me glad that I am only this one contrary grump, impossible to reunite/ Live/ The present moment burns„.
Das subjektive Manko der Platte ist in dieser Gangart aber schnell erfasst: Der Revue zu verfolgen ist interessant, vielleicht gerade als Langezit-Fan, und hat auch zahlreiche eindringliche, mitunter gar Weise erscheinende Zeilen, überbrückt in den ergreifendsten Momenten ohne Fiktion fesselnd Anti-Distanzen, bieten dann in Summe allerdings auch zu oft ohne die universelle Deutungsöffnung von Metaphern keinen individuellen emotionalen Zugang. Elverum lässt den Hörer als Zuhörer außen vor, obgleich die 45 durchgehenden Minuten eines einzelnen monolithischen Ganzen starke Bilder Zeichen und mitfühlen lassen, manchmal berühren, dann und wann gar beinahe unter die Haut gehen.
Was man Elverum dabei im Gegensatz zu dem eben so verdammt ähnlich agierenden Kozelek stets zu Gute halten muß ist, dass es der 42 Jährige kontrastierend zum unlängst nicht mehr nur aus kreativer Hinsicht kontrovers diskutierten Sun Kil Moon-Kopf versteht, seine genügsam bleibendes Songgewächs musikalisch interessant fesseln zu lassen, mit geschickt gesetzten Schattierungen und Gewichtungen am Ball zu halten, vor allem atmosphärisch enorm dicht anzuziehen.
Dafür lässt Elverum eingangs zwei Akustik-Gitarren miteinander zum schrammelnden Rhythmus kommunizieren, luftig, locker und beschwingt, womit das Ausgangsmotiv, zu dem Microphones in 2020 immer wieder zurückkehren wird, unmittelbar installiert ist. Der Sound entwickelt eine warme Nahbarkeit, wohlig einnehmend, die selbst über die repetitiv ausgelegten ersten acht Minuten eine meditative Wirkung erzeugen.
Danach steigt Elverum gesanglich wie zufällig in das unverändert weiterlaufende Geschehen ein, folgt einem Stream of consciousness der Nostalgie, verträumt und melancholisch, aber weich und mit typisch charismatischer Ausstrahlung. Nach elf Minuten deuten sich Texturen im Hintergrund an, elektrische Gitarren schleichen sich in den Song, letztendlich behutsamer, als zuerst erwartet. Wenig später steigt auch eine erdige, organische Rhythmussektion ein, die dem Ganzen einen dunklen Drive, eine beklemmende Dramatik verleiht. Zwar kehrt Elverum zum Ursprung zurück, schrammt aber auch kontemplativ am beruhigten Noiserock und verliert sich lamentierend im prominenten Namedropping: „A bottle of India ink, masking tape/ Julie Doiron, Tori Amos, Cranberries, Sinéad O’Connor/ Eric’s Trip, Red House Painters, Sonic Youth, This Mortal Coil/ Kurt Cobain had died/ I had my driver’s license and a girlfriend/ And we’d cling to each other and dream that anything’s permanent/ …/ I saw Stereolab in Bellingham and they played one chord for fifteen minutes/ Something in me shifted„.
Nach zweiundzwanzig Minuten taucht das Microphones-Comeback mit Shoegaze-Schimmer kurz in den Ansatz einer Piano-Ballade ab, interessiert sich letztlich aber eher für sanftes Feedback und zieht sich dann nachdenklich in die Entschleunigung zurück. Organisch und ungezwungen sind diese Veränderungen, keine Brechstange oder Nahtstellen stören den Fluß. Stattdessen geht das Werk in einem reichhaltig funkelnden Folk-Ambient auf, dessen Einkehr durch Harmonien und alle bisher aufgetauchten Elemente subtil ausgeschmückt wird.
Wenn das bekannte Rhythmus-Segment übernimmt, wieder es fühlt sich an als würde man wieder zu der Hauptader der Erzählung zurückfindenden, dessen klackernde jazzige Ausprägung einen Song mit offenem Ende ansteuert, durchaus symptomatisch.
„I will never stop singing this song/ It goes on forever/ I started when I was a kid and I still want to hold it lightly/ …/ So what if I label this song „Microphones in 2020“?/ I hope the absurdity that permeates everything joyfully/ …/ Anyway, every song I’ve ever sung is about the same thing: Standing on the ground looking around, basically/ And if there have to be words, they could just be: „Now only“/ And/ „There’s no end“.“
Das Album bzw. sein Song wirkt also auf Metaebene über seinen Kontext hinausgehend, zeigt allerdings dennoch Limitierungen. Daher derzeit alleine das (seit 2017 Ja im Feuilleton angekommene) Privatleben, die Geschichte und das eigene (gefühlt mittlerweile unreflektiert von der Fanbase gefeuerte) Schaffen des einst so naturalistisch angetriebenen Künstlers Elverum die einzige Inspirationsquelle seiner Projektionsflächen darstellt, läuft auch The Microphones in 2020 immer wieder Gefahr egozentrisch und prätentiös zur Nabelschau-Litanei zu verkommen. Noch federt Elverum dies mit genügend Substanz ab, der Knackpunkt der Übersättigung ist hier jedoch auch deswegen schnell erreicht, weil Meisterwerke wie The Glow Pt. 2 einen drückenden Schatten werfen.
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