The Men – New Moon
Wenn die ohne Scheuklappen so maßlos in allen Möglichkeiten wildernde Stilmyriaden auf ‚Open Your Heart‘ die New Yorker Krachkombo The Men beim erwachsen werden ablichten konnte, dann ist ‚New Moon‚ vielleicht der Schnappschuss, der sie bei der Spekulation um mögliche Aktivitäten im (Un)ruhestand einzufangen versucht.
Was natürlich alleine deswegen schon Unsinn ist, weil die mittlerweile fünf Amerikaner auf dem vierten Album im vierten Jahr immer noch und schon wieder derart überschäumend zu Werke gehen, dass sich kaum eine so stilbewusst in den Rückspiegel des Rock blickende Kombo aktuell quantitativ und vor allem qualitativ mit The Men messen kann. Einen konsequenten Schritt über die Grenzen von ‚Open Yourt Heart‚ hinaus wagen die New Yorker dennoch. Da ist es nur im ersten Moment richtig, dass ‚New Moon‚ die Enttäuschung geworden ist, die das so überschwänglich zerschossene und doch faszinierend kohärente ‚Open Your Heart‚ beinahe zwangsläufig heraufbeschwören musste. Die herausragenden Höhepunkte sind The Men 2013 nämlich nicht abhanden gekommen oder auf dem Altar der Spontanität geopfert worden – ‚New Moon‘ wurde in 32 Stunden nach Zwei-Takes-als-Maximum-Prinzip in einem Studio in den Catskills aus der Hüfte geschossen – , sondern nur im homogeneren (und doch tatsächlich noch zerschosseneren) Songfluß eingebunden. Anti-Ohrwürmer oder gar einen annähernd schwachen Song haben The Men außerdem wieder nicht zustande gebracht.
Dennoch fokussieren The Men ihre Interesse auffallenderweise stärker als zuletzt, lassen sich nicht mehr von allen angrenzenden Genres ablenken. Album Nummer Vier macht dafür keinen Hehl aus seiner Verehrung für schiefgelegenen Alternative Country, Americana und Slacker-Heroen wie Teenage Fanclub oder Sebadoh, aus Dinosaur Jr., Big Star und Hüsker Dü. ‚Open the Door‘ eröffnet dementsprechend ganz entspannt mit klimperndem Piano und sympathisch gedankenloser Akustikgitarre. ‚The Seed‚ praktiziert mit viel Schrammelrock eine unangestrengte Dokumentation des legeren Vibe des Quintetts auf der beschwingten Veranda von Tom Petty mitsamt einer melodieseligen Monotonie, die kein Wässerchen trüben kann. Mehr Bob Dylan-Folk als in ‚Bird Song‚ waren The Men dazu noch nie. Aber nach dem energisch nach vorne gehenden ‚Half Angel Half Light‚ signalisieren die Fünf spätestens zur Halbzeit, dass sie auch härter können, wenn sie wollen: ‚I Saw Her Face‚ ist eine fiebrig scheppernde Bluesrock-Verneigung vor Creedence Clearwater Revival, inklusive ausladender Jamansätze im stampfenden Morast, aus dem der Sprint in die hezende Ekstase letztendlich ein unvermeidlicher ist.
The Men transportieren nur noch selten die Wut der radikalen Noiserock-Rabaukentruppe, die sich noch vor vier Jahren waren – einerseits schade, anderseits aber nebensächlich und sowieso schon Schnee von gestern; weil die Brooklyner immer noch ordentlich Schweiß absondern, ohne deswegen gleich die ganze Bude kurz und klein Hacken zu müssen. In gemächliche Bahnen kanalisierte Spiellust lässt Aggressivität weitestgehend außen vor, Intensität muss eben nicht zwangsläufig von Brachialität kommen. Trotzdem schimmert die Quintessenz der rücksichtslosen Krawallkapelle von einst noch immer, bis der Kopf vor lauter sShaken brummt: die dringliche Dampflock ‚Without A Face‚ ist mit seiner hyperventilierenden Mundharmonika versiert und großartig an den adretten Replacements geschult, ‚The Brass‚ macht soweit den Stooges-Rüpel, wie das The Men mittlerweile überhaupt noch wollen, ‚Electric‚ kennt als bandeigener Anachronismus ohnedies nur das Gaspedal und ‚Freaky‚ prügelt geradezu fröhlich auf unkompliziert hastende High-Hats ein.
Im abschließenden Titelsong zeigen The Men dann noch einmal im exzessivem Gebräu über 8 Minuten, dass sie ganz schön freche Diebe sein können und transportieren zu gleichen Teilen „Inspirationen“ aus ‚Kick out the Jams‚, ‚Down on the Street‚ und ‚(You Gotta) Fight for Your Right (to Party!)‘ in die Schnittstelle von Protopunk, Psychedelik und Shoegaze. Nach den vorangegangenen 38 Minuten Spielzeit die einzige Entgleisung in das unkonkret zirkulierende des Jams, die sich die Brooklyner Gang diesmal leistet.
‚New Moon‚ muß dabei mit seiner inneren Zerrissenheit zwischen gezähmterem Noiserock und noch unverkrampfter zelebrierten Lagerfeuer-Ambitionen beinahe zwangsläufig polarisieren. Richtig ist bis zu einem gewissen Punkt jedoch auch, dass The Men die nach ‚Open Your Heart‚ gesetzten Erwartungshaltungen mit ‚New Moon‚ gerne unterschreiten können – dafür aber als nimmermüde Feinjustierer ihres Sounds mit zahlreichen vorteilhaften neuen Facetten auf ungekannten Ebenen bedingungslos begeistern, gar überrschen. Und abermals ein musikalisches Fest der Spontanität geschaffen haben, dass letztendlich vor allem eines transportiert: die überschäumende und um sich greifende Freude der Band an ihrer eigenen unkomplizierten Rockmusik.
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