The Magnetic Fields – Love at the Bottom of the Sea
Stephin Merritt findet den in den 90ern verlorenen Synthiepop wieder und schreibt ein zwanghaftes Album voller verschleierter Lovesongs. Ganz nett, das!
Ein The Magnetic Fields Album, ohne als Konzept getarntes Zwangsverhalten – geht das überhaupt? Die bisherige Diskographie der Amerikaner um Mastermind Stephin Merritt kann diese Frage mit 69 Liebesliedern, i-Fixierung im Titel und sonstigen Sperenzchen zumindest nur unzureichend beantworten. Auch ‚Love at the Bottom of the Sea‚ wird nun nur marginal zur Klärung beitragen können – mit seinen 15 Songs in 35 Minuten, von denen keiner die 2:40 Minuten Marke übersteigt, keiner etwas anderes als Synthiepop mit Melodieverständnis und noch mehr Keyboardspielerein ist. Dass jedoch nicht ein Song auch mehr ist als bloße Fingerübung, als die anmutende Spielerei eines Getriebenen und der gefällige Zeitvertreib bis die nächstbeste Idee aus dem Kopf purzeln muss – das steht dann doch wieder auf einem anderem Papier.
Grundthema ist wieder die Liebe, in all ihren obskuren und wundersamen Ausschmückungen samt Sex-Gimmicks – allerdings ohne dabei so erschöpfend und ausführlich ausgeleuchtet zu werden, wie das auf Merritts Opus Magnum ‚69 Lovesongs‚ der Fall war. Eher streift der Amerikaner aus der Bahn geworfene Geschichten, wirbelt durch Bruchstücke astreiner Popnummern und grätscht sogar weiter bis in die 80er. Kein Wunder, dass ‚Love at the Bottom of the Sea‚ gleichzeitig wie zuckergeschockte Joy Division in Willy Wonkas Schokoladenfabrik Räder schlägt und im nächsten wie John Maus im Aufnahmestress durch ein Kaleidoskop der letzten Jahrzehnte blickt. Da wird mal im untersten Keller der Bariton gecroont, darauf schon wieder dem relativen Konventionalismus des Lo-Fi Anti-Pop gefrönt. Dabei fiept und quietscht es aus allen Ecken, alle Tasten möchten gedruckt werden und obwohl die Platte gefühltermaßen auch an einem einzigen Keyboard an einem freien Tag aufgenommen worden sein hätte können, passt hier doch nur wenig zusammen, läuft aus den Ruder und driftet inkohärent in der Beliebigkeit umher.
Trotz ihrer Kürze hält ‚Love at the Bottom of the Sea‚ vor allem im Sound Entdeckungen parat, scheitert aber an der Diskrepanz zwischen sofortiger Zugänglichkeit und Langzeitwirkung. Es ist diese permanente, ziellose Gehetztheit, die dem zehnten The Magnetic Fields Album schlussendlich das Genick bricht: mögen auch immer wieder gelungene Momente durchscheinen, bleibt ‚Love at the Bottom of the Sea‚ zerrissen und Stückwerk, auf Dauer ermüdend und ohne Haltepunkt. Nichts wirkt ausformuliert, lässt aber auch das Genie vermissen, um als gelungene Skizzensammlung durchgewunken zu werden. Weil für jeden Ausfall wie ‚Your Girlfriend’s Face‚ oder ‚The Machine in Your Hand‚ nur halb zu Ende gedachte Nummern ala ‚Andrew in Drag‚ und die Neutral Milk Hotel Verneigung ‚The Only Boy in Town‚ kommen, diese (Hit-) Potential andeuten aber ihre PS einfach nicht auf den Boden bekommen. Als Talentprobe hätte man ‚Love at the Bottom of the Sea‚ abnicken können, so aber wird dies zu einem an alte Stärken erinnernder Querfeldein-Limbo unter der Magnetic Fields Qualitätslatte. Bezeichnend in diesem Zusammenhang, dass sich trotz Shirley Simms schon lange keine Platte der Band so sehr nach Solowerk ihres geistigen Quasi-Alleinschöpfers angehört hat.
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