The Killers – Pressure Machine

von am 24. Oktober 2021 in Album

The Killers – Pressure Machine

Intimes Storytelling statt megalomanischen Bombast: Nach zwei rehabilitierenden Werken im pompösen Glamor-Stadionrock haben The Killers mit Pressure Machine gewissermaßen ihr Nebraska aufgenommen.

Selbst für Killers-Verhältnisse eignen sich dabei immer noch die meisten Songs der (thematisch rund um Brandon Flowers Heimat Nephi in Utah erdachten) Konzept-Platte dafür, zwischen bisherigen Hits die Arenen beschallen zu können, nur ist eine stilistische Transformation jenseits der überkandidelten Geste auch dabei zu jedem Zeitpunkt spürbar: Wenn der traurige Tribut  Quiet Town zwar auf einem Synth-Pop-Teppich erbaut ist, diesen aber für eine beseelte Uptempo-Heartland-Fahrt samt Boss-Mundharmonika und Hold Steady-Klavier nutzt, Cody als unaufgeregter Folkrocker seine souligen Bläserarrangements so subtil wie möglich einsetzt, während Sleepwalker beschwingt und munter auftritt und In Another Life nonchalanter flaniert, spätestens aber die wattierte 80er-Anleihe mit knubbeligem Bass und elektronischen Drums eine funkelnde Zurückhaltung zeigt.
Das sind dann im Herzen schon alles klassische Killers-Ohrwürmer – nur eben ohne die überhöhte große Geste, die einem die Melodien und Hooks der Band als heiße Luft verleiden kann.

Anderswo sind die Auswirkungen der Gewichtsverlagerung weitaus eklatanter. Das melancholische (und außerhalb des Kontextes auch etwas langweilige) Terrible Thing reduziert die Innenansichten auf eine Gitarre und Mundharmonika, ist so behutsam wie unscheinbares Singer-Songwriter-Storytelling. Das zurückgenommen mit Phoebe Bridgers gehauchte, latent tranige Runaway Horses badet ebenso in seiner verletzlichen Atmosphäre der Nahbarkeit wie das wunderbar beschauliche, betörend im Falsett gehauchte Titelstück, bevor The Getting By der balladesken Seite der Platte sogar ein bisschen Streicher-Kitsch gönnen darf, ohne zu übersättigen.
Desperate Things lehnt sich sich still zurückgenommen in einen entschleunigten Mikrokosmos aus Reverb-Saiten und ätherischen Tastenanschlägen, folgt sehnsüchtig der Elegie, bis eine kurze Kakophonie von Rückkehrer Dave Keuning demonstriert, dass die Songs diesmal auch hörspiel-szenisch einer Handlung folgen können.

Vielleicht auch, weil der Opener West Hills als immer intensiver wachsende Weise den Americana und Country mit Western-Motiven jenseits der Romantik so eindringlich wogend aus dem Hall beschwört, das reichhaltige Instrumentarium Streicher und Fidel mit einer unverrückbaren Selbstsicherheit neben heulende Gitarren stellt, derart überragend gelungen ist, kann es jedoch sein, dass Pressure Machine erst eher nur über seine zur Schau gestellte demonstrative Intention (mehr Tiefgang und Substanz in der Killers-DNA anstelle banaler Unterhaltung nach außen zu kehren) überzeugt – als könnte die kompositorische Substanz des den fehlenden glamourösen Aspekt mit bodenständigem Understatement aufwiegenden Wesens primär ästhetisch stemmen.
Gerade mit etwas Abstand gehen Form und Inhalt aber zu einer schlüssigen Einheit zusammen, deren Attitüde ebenso stimmt, wie der Mehrwert. Pressure Machine zeichnet sein imaginativ bildreiches Worldbuilding (auch wenn alle Charaktere darin weniger zu individuellen Leben erweckt werden, als von einem immer erkennbar bleibenden, wenig variabel in Verkleidungen schlüpfenden Flowers dargeboten werden) mit authentischer Lebendigkeit und einer sogar größeren Ohrwurmdichte auf qualitativ hohem Niveau, als jede andere Platte der Band seit Sams Town. Dass ausgerechnet der Fokus weg von der Metropole hin zur Kleinstadt ein ganz neues Panorama für die nun um mindestens eine Facette reichere Gang aus Las Vegas auftut, lässt die Renaissance der Killers jedenfalls auf erstaunlichem Wege fortschreiten.

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