The Jon Spencer Blues Explosion – Meat + Bone

von am 19. September 2012 in Album

The Jon Spencer Blues Explosion – Meat + Bone
Als man von Judah Bauer, Russell Simins und Jon Spencer das letzte Mal hörte, war der Interpretentitel auf dem Cover erstmals auf das wesentliche abgeschlackt, die Produzenten- und Gästeschar auf ‚Damage‚ dafür aber umso ausführlicher ausgefallen, um das Idealbild des bluesigen Garagerock in neue Dimensionen vorstoßen zu lassen – während eben dieser damals noch auf den endgültigen Siegeszug in den Mainstream wartete. 8 Jahre später ist die Ausgangslage freilich ein wenig anders als damals.

Der auf den Bandleader fixierte Vorbau im Namen ist wieder zurück, dafür wurden jene aus dem Hip-Hop und sonstigen Genres eingesammelten Produzenten und Einflüsse nach dem als experimentellen Exoten ‚Damage‚ weitestgehend außen vor gelassen, der Fokus dazu in einer Zeit umgestellt, in der Blues Explosion-Nachkommen wie die White Stripes beinahe als Säulenheilige verehrt, oder die Black Keys von der Spitze der Charts lachen und Spencer allein von den Tantiemen der Blaupausen leben können müsste, die er spätestens ab den 1990ern salonfähig machte – die Intention bleibt heute die selbe wie 2004: dem Bluesrock knackiges Leben einzuhauchen. ‚Meat + Bone‚ will dies aber nicht mit progressiven Denken erreichen, sondern ganz im Gegenteil, mit der Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln und die des Rock im tiefsten Delta-Blues und seiner Entwicklung in der Garage zu Punk. „Do you remember the 1990s? Do you remember the 1980s? Do you remember the 1970s?“ croont Spencer im Hall verschwindend und greift daraufhin natürlich noch viel weiter zurück. Im neunten Album des Trios kulminieren wieder so lasziv die Errungenschaften von Elvis über The Stooges bis hin zu Robert Johnson: es geht darum, dem Rock seine unzivilisierte Würde und Unberechenbarkeit wiederzugeben, mit betont roh groovenden Nummern, die in ungefilteter Manier  beinahe untragbar cool und lässig auf den Putz hauen, eine Kampfansage an den eigenen Legendenstatus („Standing up here at the podium holding this fabulous statuette / I feel like a God but I still got a problem paying the rent!“) und all die Epigonen der einst authentischsten hippen Epigonenband um die Ex-Pussy Galore Schmalzlock, wenn man so will.

Spencer heult im Werwolf-Modus seine Rockabilly -Fieberträume über bruzelnde Lautsprecher, trägt so enge Hosen, dass der Schweiß sexuell aufgeladen von der Decke trieft, der Bass hebelt dominant dumpf groovend an der Magengrube, die Riffs klettern ausufernd aus schwülen Sumpfgebieten, Schlagwerker Simmins darf nicht nur in ‚Bear Trap‚ zeigen, dass er es meisterhaft versteht, simple Standard-Rock-Themen mit Eigenständigkeit und ordentlich Schmackes rauszuhauen. Die Explosion wringt die Essenz dieser Zutaten ohne große Spielereien wie im Rausch in zwölf lärmende Songs, die sich meist zu Beginn kleinere Prduktionsfeinheiten als Fintenerlauben, hier und da aber tatsächlich subtil elektronische Kniffe einfädeln, die, wenn überhaupt markant, so überhaupt nichts modernes an sich haben wollen und als die Erkenntniss von ‚Damage‚ herhalten müssen, dass die Stärken dieser Band seit jeher in der Rückwärtsorientierung lagen, die Weiterentwicklung im Detail und weniger exaltiert am besten aufgehoben ist. Alles beim alten und besten also irgendwo, als wären sie nie weg gewesen, ausschließlich wiederholen muss man sich deswegen noch lange nicht: ‚Get Your Pants Off‚ ist ein Befehl in bester Funk-Form, der sich zudem ein Dr. John Orgelsolo ohne Hemmungen gönnt. Dass Spencer den gruftigen Elvis immer noch besser drauf hat, als alles seit den Cramps, ist spätestens beim unnachgiebigen Kopfnicker ‚Strange Baby‚ wiederklar, wie 3 Minuten als exzessive Endlos-Zuspitzung wirken können hingegen nicht.

Bag of Bone‚ ist so ein Hit mit Widerhacken und bestialischer E-Harmonika, ‚Boot Cut‚ in seiner Eingängigkeit vielleicht sogar schon jetzt ein moderner Evergreen der Band und trotzdem ein dem Irrsinn verfallener Jambastard ohne offensichtliche Grenzen – weitaus schwermütiger schlapft da ‚Unclear‚ mit zentnerschwerem Gemüt daher. Das fulminante ‚Bottle Baby‚ bringt mit seinen Stop-and-Go Rhythmus ‚Meat + Bone‚ gehörig aus dem Ruder, wie das erst live abgehen muss, will man sich gar nicht erst vorstellen. ‚Meat + Bone‚ verdeutlicht in diesen Momenten nur zu freizügig, dass beinahe ein Jahrzehnt an Pause keine wirklich lange Zeit für eine solche archaische, zeitlose Musikform ist, wie die Blues Explosion sie spielt. Eine, die während des Genusses stets die Offenbarung des unsterblichen Rock’n’Rolls zu beschwören scheint, die hier in ihrer Dringlichkeit und Energiegeladenheit problemlos wie ein weiteres Debütalbum der Band funktioniert und als fantastisches Comeback ohne Verschnaufpause dazu.
Allerdings war es vielleicht nicht unbedingt die beste Idee, einen über die letzten Jahre mit den zahlreichen Neuauflagen des so überragenden JSBX-Backkatalogs anzuheizen. In diesem fällt ‚Meat + Bone‚ letztendlich auch nur ins berauschend  überdurchschnittliche Feld. Eine andere Möglichkeit: der psychedelische Unheilbringer ‚Zimgar‚ entlässt gar zu unkonkret aus einer Platte, die wie im vorbeigehen aus dem Handgelenk geschüttelt alles auf den Punkt bringt, warum dies eines der willkommendsten Comebacks der letzten Zeit ist. Denn um es all den Kombos da draußen, die sich Bluesrock schimpfen, aber letztendlich bloß weichgespülte Versionen dessen sind, zu zeigen, was eine knallharte Harke ist, dafür muss sich ‚Meat + Bone‚ noch nicht einmal wirklich anstrengen: „Cuz the Blues are still number one!

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