The Haunted Youth – Dawn Of The Freak
Mit The Haunted Youth hat der 29 jährige Belgier Joachim Liebens ein Kaleidoskop geschaffen, in dem er dem Indierock, Dreampop und Shoegaze beim Verschmelzen mit vagem 80er-Flair beobachten kann. Das zutiefst eklektische Debütalbum Dawn of the Freak macht dabei auch keine Geheimnisse aus seinen Einflüssen.
Die Musik von Liebens, der mittlerweile mit Hanne Smets (keyboards), Tom Stokx (guitar), Nick Caers (drums) und Stef Castro (bass) eine richtige Band um sich gescharrt hat, aber dennoch weiterhin vom Songwriting bis zur Produktion alle kreativen Zügel im Alleingang in den Händen hält, fühlt sich tatsächlich so vertraut an, als würde man sie seit Ewigkeiten kennen und mögen.
Das liegt an der heimeligen, melancholischen und auch latent nostalgische Atmosphäre der Platte, an ihren universellen Melodien, die wie Watte zwischen den Genres träumen. Songs wie das repetitive Teen Rebel oder Stranger sind simpel gestrickte Instant-Ohrwürmer, die mit dem Reiz des vergänglichen durch den sehnsüchtigen Weichzeichner der romantischen Zeitlosigkeit spielen. Soft gepolt niedlich-naive plingende Gitarren schmiegen sich an anachronistische Keyboards und dahinlaufende Beats, hauchen flott oder zurückgelehnt am schwelgenden AOR den androgynen Gesang im Hall zu catchy Hooks, und im Eklektizismus vergeht keine Sekunde, an der einen nicht flüchtige Assoziationen und klar prägende Referenzen (hinter dem gefühlten Artwork-Äquivalent zu Astral Fortress) an der Hand nehmen würden.
Man muss an The Pains of Being Pure at Heart, Slowdive oder DIIV denken, wenn in Shadows das einfach gehaltene Schlagzeug spielt, als wäre zurückgelehnter Wave das Ziel, während die restlichen Instrumente wie Ambient-Pop-Überblendung sinnieren, die Achse aus Indierock und Dreampop von einer Shoegaze-Patina verzaubert wird, der immer wieder der retro-affine Schimmer der 80er anhaftet.
Das fabelhafte Gone klatscht ätherisch relaxt wie eine Erinnerung an den unsterblichen M83-Pop zu Saturdays=Youth-Zeiten mit der Attitüde von Chastity in schlafwandelnder Aufbruchstimmung. Dass die Nummer wie viele Stücke mit dem zwanglos offenen Jam-Ausklang flirten (was übrigens ein Gradmesser dafür ist, dass einige Kompositionen ein Problem mit ihren Abschlüssen haben, indem sie entweder schlichtweg ausfaden oder das fesselnde Ambiente nutzen, um unschlüssig geschrieben nonchalant plätschernd weiterzumachen, bis nichts mehr gesagt werden kann und dann über wenige Takte im kurzen Tempowechsel abrupt enden) bringt mit Heartland-Freiheiten durch das dösende Bedroom-Prisma den vielleicht allgegenwärtigsten Vergleich, wenn Dawn of the Freak hier besonders, aber immer wieder wie der Missing Link zwischen Grivo und The War on Drugs anmutet.
Mal klingt Broken etwa, als hätte Adam Granduciel die Editors produziert (wenn da ausnahmsweise eine weiche Post Punk-Schraffur sogar für einen energischeren Zug in der Sanftheit sorgt, die live vielleicht sogar den rockigen Exzess aus der kurzweiligen, im Rahmen keineswegs störenden Gleichförmigkeit heraus provozieren wird), dann wieder meint man seinen Signaturen beim Anschmachten von Cigarettes After Sex lauschen zu können (die smoothe Elegie House Arrest) oder aber kann sich vorstellen, wie seine Band agieren würde, wenn sie eine Symbiose mit MGMT und Tame Impale einginge.
Und sicher ließe sich nur zu leicht ein Strick aus dieser wenig originären eklektischen Veranlagung drehen. Immerhin bedingen selbst jene Momente, in denen The Haunted Youth noch bei ihren Soloprojekt-Wurzeln bleiben, primär externe Bezugspunkte, um den Charakter der Musik zu verorten: In I Feel Like Shit and I Wanna Die borgt eine behutsame Drummachine die Essenz von Beach House und Chöre von der Reverie Lagoon (um ziellos als relative Schwachstelle einer ansonsten trotz aller Einflüsse enorm homogenen Platte zu mäandern), bevor der reduzierte Alleingang Fist in My Pocket die Gitarre so heimelig und intim am Folk zupft, dass auch dem Tallest Man on Earth die Gänsehaut kommen könnte.
Doch bedienen sich diese und alle anderen Momente der Platte nicht nur bei den richtigen Vorbildern, sondern verschmelzen die Einflüsse mit einem untrüglich Gespür für tolles Songwriting, ein verführendes Ambiente und eine beinahe ausnahmslose Stafette an schmissigen Hits mit einer geradezu entwaffnenden Unschuld: Dawn of the Freak ist nicht das Werk eines dreisten Kopisten, sondern die authentische Talentprobe eines potentiell würdigen Erbverwalters großer Idole.
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