The Gaslight Anthem – History Books

von am 1. Dezember 2023 in Album

The Gaslight Anthem – History Books

History Books will geradezu demonstrativ nichts beschönigen: Nach neun Jahren Pause sind The Gaslight Anthem bereit, sich die Hände für ihren Heartland Punkrock wieder schmutzig zu machen.

Für ihr Comeback versucht die wiedervereinigte Band gleich im Auftreten den nötigen Stellschrauben zu drehen, um dem Schicksal des mediokren Get Hurt (samt der darauf folgenden, durchwachsenen Solo-Karriere Brian Fallons) zu entkommen und entscheiden sich für eine polarisierende Inszenierung: Produzent Peter Katis (Death Cab for Cutie, Kurt Vile, The National) hat The Gaslight Anthem eine auf DIY-Rumpeligkeit getrimmten Sound verpasst, der ohne jeden Hochglanz überraschend ungeschliffen scheppert und poltert, und adäquat den Eindruck erweckt, nur minimal über den LoFi-Demo-Status hinaus poliert worden zu sein.
Tatsächlich klingen die Drums aber auch ohne eine wirklich volle Bandbreite kraftvoll und präsent, die zu sehr in die zweite Reihe gemixten Gitarren differenziert und klar, die Vocals (zentriert und präsent (was natürlich auch in die Auslage stellt, es gesanglich nicht mehr mit Prime-Fallon zu tun zu haben).

Diese für ambivalente Rezeptionen sorgende Wahl stellt sich tatsächlich aber als richtige Entscheidung heraus, indem sie für kantige Schraffuren sorgt und den (wären sie anders produziert worden, wohl nur zu leicht allzu gefällig wirken werdenden) Songs als der Übersättigung vorbauendes Korrektiv guttut.
Mehr noch macht die Band so überhaupt das beste aus leider nicht wirklich überragendem Material, das die Formkurve von Get Hurt zwar nach oben richtet, aber eben „nur“ absolut solide aufzeigt, im Gegensatz zu den ersten beiden, eigentlich sogar drei, Alben keine Gänsehaut-Szenen oder wirkliche Euphorie-Momente erzeugen kann (und zudem einige Passagen vieler Stücke einfach zu freigiebig repetiert – was eigentlich im Kontrast zur restlichen Attitüde der Platte steht).
Die Melodien und Hooks sind routiniert, zünden aber nur  bedingt und ohne die nötigen Reize, ohne vom Wunsch packen zu lassen, sich wiederholt mit History Books auseinanderzusetzen – das Album ist abseits seines Sounds nicht per se interessant oder aufregend.

Es ist allerdings durchaus zuverlässig – und durchaus gut.
Da eröffnet Spider Bites flott und schmissig zum Mitsing-Momentum tendierend, Elektroden  knarzen und Synthies funken dezent texturieren, bevor im Titelsong Boss und Idol Springsteen als Stargast verschenkt wird. Positive Charge stampft heulend nach vorne, rockt bis zur Übersteuerung der Vocals in die kitschige Glückseligkeit, die Jimmy Eat World sonst gepachtet haben. Little Fires macht auch dank Stefan Babcock (PUP) knackig und direkt Bock, derweil I Live in the Room Above Her hardrockig und breitbeinig in der  Heaviness mit Samthandschuhen angefasst wird. Symptomatisch für die Platte kommt die Nummer jedoch einfach nicht in Gang, stets scheint man mit angezogener Handbremse vor dem befriedigenden Höhepunkt abzudrehen.
Im smoothen Drive von A Lifetime of Preludes zappeln die Drums eilig dem kontemplativen Plätschern davon. Am anderen Ende des Spektrums schunkelt Autumn in entspannt kopfnickendem Groove, dosiert weibliche Texturen und spacigen Synths zu schimmernden 80er Saiten – in einem anderen Gewand wäre dies zu gallig. The Weatherman setzt leisetretend mit Besenschlagzeug auf eine verträumt tänzelnde Atmosphäre, dreht sich letztendlich ziellos im Kreis und schmiegt sich romantisiert an die Gottesfurcht von Empires, die ebenso wie die sentimentale Nostalgie Michigan, 1975 gefällig schwoft: Wirklich weh tut Historie Books eben niemandem.

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