The Fratellis – We Need Medicine
Ein Jahr nach der Reunion, zwei nach Jon Fratellis Solodebüt ‚Psycho Jukebox‚, fünf nach dem gefloppten Zweitwerk ‚Here We Stand‚ und sieben nach ‚Costello Music‘ – und damit natürlich auch ‚Chelsea Dagger‚ – wollen es die Fratellis noch einmal wissen. Die Melodien und Hooklines werden dafür immer noch mit der Brechstange in die Gehörgänge geprügelt, ohne jedoch abermals auch im ärgsten Vollsuff die Textsicherheit zu garantieren.
Keine simplen „Wohohoo„- und „Badadabdada„-Linien mehr, auf welche die The Fratellis nach dem massiv einschlagenden Hitfeuerwerk ‚Costello Music‚ so gerne reduziert wurden. Klar, davon wollten sich die drei Nicht-Brüder bereits 2008 mit dem zu Recht untergegangenen Nachfolger emanzipieren, vergaßen dabei allerdings auf die einprägsamen Melodien. ‚We Need Medicine‚ setzt nach der Wiedervereinigung deswegen abermals dort an, vermengt den vergleichsweise umständlicheren/weniger plump gemeinten Charakter von ‚Here We Stand‚ mit dem wiedererblühten Händchen von Jon Fratelli für unmittelbar zündende Melodien: kaum ein Song auf ‚We Need Medicine‚, der sich nicht bereits während der ersten Durchgangs problemlos mitsummen lässt, kaum einer aber auch, der bei der nächsten Nummer nicht bereits wieder vergessen ist. Die prolongierte Rückkehr zur Hitmaschinerie mit dem Manko der Weiterentwicklung also.
Nach Überraschungen sucht man deswegen auf dem Drittwerk der Band auch weitestgehend vergeblich. Dass vor allem das zurückgelehnt torkelnde ‚She’s Not Gone Yet But She’s Leaving‚ und ansatzweise auch das balladeske ‚Rock N Roll Will Break Your Heart‚ wie ausgestoßene Verwandte der aktuellen Arctic Monkeys Platte ‚AM‚ wirken ist noch am ehesten eine solche, mit einem Auge zugedrückt auch das fetzige Saxofonfinale des stakatohaft-bluesrockenden auftretenden ‚Halloween Blues‚, der Bar-Keyboard im wie wild abgehenden Gospel-Squaredance von ‚Seven Nights Seven Days‚ oder der Dick Dale-Sirtaki-Ausbruch im gnadenlos stampfenden ‚Jeannie Nitro‚. Grundsätzlich alles halb so gravierend und nie aus dem Rahmen der frei Haus gelieferten Ohrwürmern fallend.
Denn wo ‚Here We Stand‘ praktisch keinerlei zündenden Songs auffahren wollte, versteift sich ‚We Need Medicine‚ geradezu penetrant darauf zu beweisen, dass man die simpel-griffigen Melodien immer noch problemlos aus den Ärmeln schütteln kann, dass immer noch reihenweise Hitsingles drinnen sind – was niemals überragend, aber doch mal besser, mal schlechter gelingt.
Vor allem ein ‚This Old Ghost Town‚ (da findet sich auch doch wieder ein gespenstisches „Ohohohoo“ im Chorus) drängt ohne Umschweife in die Indiecharts, während das honkeytonkende ‚Whisky Saga‚ als Aufarbeitung von ‚Creepin Up the Backstairs‚ wohl nur Nostalgikern Freude bereiten könnte. Schlaftabletten wie die kraftlosen Rocker ‚Shotgun Shoes‚ oder ‚This Is Not the End of the World‚ nehmen ‚We Need Medicine‚ dazu spätestens im schwaachen, die Platte unter den Durchschnitt befördernden Mittelteil auch wieder einen Gutteil des bis dahin aufkeimenden Spielwitz, bevor die Fratellis ihr Comebackalbumzwischen nervender Aufdringlichkeit und plätschernder Belanglosigkeit versenken. Der Titelsong ist dabei geradezu symbolisch verzweifelt gen Festivaltauglichkeit gebürstet und steht damit Pate für die allgemein herrschende Sorgfalt der Band auch ja an alte Zeiten anknüpfen zu können.
Das Problem dabei: diese Mühe hört man der Platte an, ‚We Need Medicine‚ klingt phasenweise verkrampft unverkrampft, nach durchaus starkem Beginn doch auch höhepunktslos nach Bauplan gefertigt und zu kaum einem Zeitpunkt derart unbeschwert und locker, wie es wohl gedacht wäre – der ständig hin zur sofortigen Eingängigkeit gedrängte Ohrwurmreigen hat nicht zuletzt deswegen keinen dauerhaften Bestand. Mit dem richtigen Spiegel ist Album Nummer Drei damit zwar wieder zu einer durchaus unterhaltsamen Konsenshintergrundbeschallung Marke Rock-von-der-Insel geworden, beantwortet aber nicht die Frage, warum man dann nicht doch gleich wieder ‚Costello Music‚ auflegen sollte.
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