The Flaming Lips and Heady Fwends – The Flaming Lips and Heady Fwends
Die Flaming Lips können und wollen ihre Kolaborationssucht nicht mehr zügeln. Für ‚The Flaming Lips and Heady Fwends‚ rennen ihnen die prominenten Gäste nun sogar förmlich die Tür ein, um bei dem ganzen Irrsinnstanz dabei sein zu dürfen.
Die Geschichte der Flaming Lips und ihrer Outputrate ist seit jeher eine ganz Spezielle. Und doch hat man das Gefühl, dass das 2009er Album ‚Embryonic‚ die nächste Stufe im maßlosen Eifer der Band um Mastermind Wayne Coyne ausgelöst hat. Kaum ein Monat vergeht seitdem gefühltermaßen mehr ohne Memory Sticks in Kaugummiföten oder menschlichen Schädeln, ohne spontan eingeschobene EP, ohne 6 Stunden Song, ohne 24 Stunden Song gar, ohne Splitsingle. Der Record Store Day 2012 bietet da natürlich eine feine Gelegenheit, um das letzte Jahr Revue passieren zu lassen: ‚The Flaming Lips and Heady Fwends‚ nennt sich die auf Doppelvinyl versammelte Compilation dann, limitiert auf 10.000 Stück. Abgesehen von der Farbauswahl unterscheiden sich diese noch durch ein besonderes Schmankerl: Entweder bekommt man im Eröffnungssong ‚2012‚ ein Dr. Who-Sample spendiert, oder aber man erwischt die Auflage, in der eben jenes Dr. Who-Sample von Black Flag Muskelpacket Henry Rollins zitiert wird. Das ist natürlich eigentlich ebenso unnötig, wie es in den herrlich umfangreichen Spleenkatalog der Flaming Lips perfekt passt.
Das ist nicht mehr als eine weitere der unzähligen Randnotizen auf ‚The Flaming Lips and Heady Fwends‚. Denn wahrgenommen wird die Compilation in erster Linie doch wohl als das unfassbare Sammelsurium an Kooperationen mit den möglichsten und unmöglichsten Musikspezis. Wahrlich gibt sich hier das Who is Who der jeweiligen Genres die Klinke in die Hand, Namedropping Deluxe quasi, auch mit bereits bekanntem:
Von den veröffentlichten jeweiligen Splitsingles aus dem letzten Jahr können vier Songs bereits vertraut klingen: Da findet sich die Elektroübung ‚Supermoon Made Me Want to Pee‚ (mit Prefuse 73), die zweite Scheibe eröffnet gleich mit dem Dreier ‚I’m Working at NASA on Acid‚ (außerordentlich ruhige Minuten mit den Noiserock Derwischen Lightning Bolt), das mantraartige ‚Do It!‚ (Beatles Fans freuen sich über einen auftritt von Yoko Ono und ihrer Plastic Ono Band) und gemeinsam mit Neon Indian fragen die Flaming Lips: ‚Is David Bowie Dying?‚.
Dass die aus vollständigen Splitsingles entnommenen Songs hierbei keinesfalls aus dem Rahmen fallen, sondern sich viel eher makellos in das restliche Songwerk einfügen, bringt dabei die absurde Stärke von ‚The Flaming Lips and Heady Fwends‚ am besten auf den Punkt: Das ist inkohärent, zerfahren und ausgefranst, eigentlich ziel- und strukturlos – und gerade durch all diese Punkte ein homogenes Album klarer Prägung geworden. Die Flaming Lips halten zu jeder Sekunde die Zügel lose in der Hand, assimilieren die Gästeschar zu funktionierenden Teilaspekten ihrer verschrobenen Zukunftsmusik. Das geht soweit, dass ‚Heady Fwends‚ viel weniger wie der Ideenaustausch zwischen den Lips und den restlichen Musikern klingt, als vielmehr wie die Ergüsse der Gäste aus der entrückten Perspektive der allseits beliebten Band aus Oklahoma betrachtet. Deswegen spielt Coldplays Chris Martin hier eine getragene Pianomelodielinie, heult dazu melancholisch im Hintergrund, während Coyne ansatzweise ‚Imagine‚ von John Lennon darüber intoniert. Der erhabenste, ergreifendste Moment von ‚The Flaming Lips and Heady Fwends‚ ist auch einer der zugänglichsten.
Einer Platte, die ausschließlich aus Bits und Bytes zu bestehen, deren analoges Instrumentarium durch das digitale Stroboskop gejagt worden zu sein scheint. An Allen Ecken und Enden sind hier Ideen miteinander verlötet, Loops über zerhackte Beats und experimentelle, psychedelische Nebelfelder gespannt. Kantige Akkorde schrummen über mechanische Rhythmen, verdrogte Synthieflächen, hirnwütige Effekte. In gewisser Weise kann ‚The Flaming Lips and Heady Fwends‚ so durchaus als die noch stringentere, weil von klassischen Songstrukturen und Konventionen noch weiter gelöste Version von ‚Embryonic‚ gesehen werden. Eine Spielwiese ohne Einschränkungen für die Flaming Lips und ihre Gäste:
Erykah Badu schwimmt über dem transzentalen Dronefäden, Chöre, Synthieflächen und Xylophon über die zehn Minuten lange Interpretation des Klassikers ‚The First Time Ever I Saw Your Face‚. ‚Ashes in the Air‚ transportiert den Bon Iver Folk weit hinaus in das Weltall, dorthin, wo es Portishead zu trippig wird und trotzdem noch große Refrains warten. Nick Cave bringt ‚You, Man? Human???‚ wie eine zerstückelte Grinderman-Nummer dar, bestialisch und gemeingefährlich. ‚Children of the Moon‚ mit den psychedelischen Jungrockern von Tame Impala gelingt als zurückgelehnte 60er Pop-Anlehnung samt kreischender Leadgitarre am Anfang und Lagerfeuerstimmung danach.
Das prallt geradewegs und butterweich in den stoisch rumpelnden Noise-Folkpop ‚That Ain’t My Trip‚ mit Jim James von My Morning Jacket: „You always want/ To shave my balls/ That ain’t my trip“ ist eine der großen Weißheiten von ‚Heady Fwends‚. Man kann sich nicht unschwer ausmalen, wie all die Songs wohl geklungen hätten, wären sie nicht durch die kunterbunte Hechselmaschine der Flaming Lips gefallen. Mit Ausnahme des Openers vielleicht. Da bringen ausgerechnet Ke$ha und Biz Markie die Stooges von ‚1969‚ direkt nach ‚2012‚, eigentlich sogar noch weiter in die Zukunft gebeamt, und geben damit die Richtung für ein Album vor, dass sich trotz seiner zerissenen Entstehunggeschichte tatsächlich als solches begreift, als solches präsentiert und auch als solches anfühlt. Ein trippiges, verschachteltes Sammelsurium der Ideen, Riffs und Beats, Melodieansätze; ein verdrogtes Experiment an der Grenze zur Handhabung, wo „Experimentierwut“ schon lange nicht mehr reicht, um den Wahnsinn zu beschreiben, den die Flaming Lips da abziehen. Dass sie sich dabei dennoch niemals aus dem Raster der Nachvollziehbarkeit entfernen, zeichnet die rastlose Band natürlich zusätzlich aus.
Und dass die Flaming Lips ob der umtriebigen Ruhelosigkeit auch mal Abnutzungs- oder Ermüdungserscheinungen aufweisen könnten, braucht niemand ernsthaft zu befürchten. Sonst wäre nicht simultan mit ‚The Flaming Lips and Heady Fwends‚ schon wieder die nächste Splitsingle mit Mastodon erschienen.
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