The Drones – Feelin‘ Kinda Free

von am 15. April 2016 in Album, Heavy Rotation

The Drones – Feelin‘ Kinda Free

But now I’m feeling kinda free/ I’m going straight to DVD/ I’m losing my ambition/ Going into remission/ I’ve put it all behind me/ I want a private execution„. Klingt ganz so, als hätte sich Gareth Liddiard damit abgefunden, dass The Drones nach knapp eineinhalb Jahrzehnten im Geschäft nicht mehr die Anerkennung bekommen werden, die ihnen als eine der besten Bands Australiens zustünde. Tatsächlich ist auf ‚Feelin‘ Kinda Free‚, ihrem bisher ambitioniertesten und vielschichtigsten Werk – mehr noch: ein soundtechnischer Neubeginn! -, aber wieder alles viel hintergründiger, als es auf den ersten Blick scheinen mag.

The record is really out there. We’ve recorded some pretty whacked out shit in the past but certain annoying factors have always gotten in the way of us going full throttle, in that respect. I think the fans who go for that whole guitar-and-songwriting schtick might get a shock“ richtet Liddiard gleich vorab die Perspektiven gerade und wirft Namen wie Die Einstürzenden Neubauten oder GZA in die Waagschale.
Referenzen, die man bisher nicht unbedingt mit The Drones assoziiert hätte, die nun aber anhand von ‚Feelin‘ Kinda Free‚ durchwegs schlüssig wirken, auch in ihrer stilistischen Spannweite: Gitarren finden meist nur noch in verfremdeter Zurückhaltung in Kompositionen, die The Drones als skelettierte Formwandler ein ganzes Stück weit neu erfinden und in anziehender Hässlichkeit und gänzlich neuem, unverwechselbar originären Sound strahlen lassen. Jeder der acht versammelten Songs bearbeitet musikalisch sein eigenes Hoheitsgebiet, jede Nummer hat ihren eigenen Charakter, man hat sich eben spätestens mit dem großartigen ‚I See Seaweed‚ freigespielt und dem bisher zelebrierten Garage/Punk/Blues/Rock entsagt.
We’re hippies now“ sagt Liddiard und dehnt den bisherigen Kompetenzbereich seiner Band organisch aus, dirigiert The Drones mit experimenteller Unbeirrbarkeit in genretechnische Grauzonen: Wenn „The best songs are like bad dreams“ sind, dann entwickelt ‚Feelin‘ Kinda Free‚ eine geradezu alptraumhafte Sogwirkung.

Private Execution‚ schält sich aus seiner psychotischen Noise-Schalle in einen ungemütlich sexy daherkommenden Groove in nebulösem Zwielicht, ein dröhnender Bass schlängelt sich um die Percussion, ein auf unterdrückten Krawall gebürstetes Keyboard attackiert, was von der streunenden Gitarre in dem hypnotisch schleichenden Gebräu übrig geblieben ist. Man kann weiterhin an neben der Spur schleichende Bands wie Gallon Drunk oder The Walkmen denken, an Nick Cave und seine Birthday Party sowieso, aber auch an Elias B. Rønnenfelt oder Swans in reduzierter: The Drones klingen mehr denn je, als würden sie um eine einladende Finsternis tänzeln, indem sie eine abgrundtiefe Faszination für die geordnete Dekonstruktion beschwören, eine dystopische Dichte.
Genau dort setzt ‚Taman Shud‚ an, ungleich hibbeliger, in stacksender Wendigkeit und lyrischer Extraklasse. Vom mystreriösen Fall des Somerton-Mannes ausgehend giftet sich Liddiard durch ein Füllhorn der Misstände seines Heimatlandes: „Why don’t anybody feel like crying/ For the Somerton somebody with the hazel eyes?“ eröffnet der an offenen Wunden operierende Song, nur um sich aus dieser Ausgangslage in einen Malstrom zu verwandeln: „I don’t give a fuck about no Anzacery/ I don’t care you got it interest free/…/I don’t give a fuck about „fuck off we’re full“/ I ain’t gonna send my kids to private school„. Sozialkritisch und explizit politisch waren The Drones immer schon – die gedankenvolle Akribie, mit der sie hier agieren, ist dennoch beeindruckend. Und irgendwie auch auf universelle Weise auf den Zustand der Welt übertragbar.
[Deswegen man kann es gar nicht ausdrücklich genug erwähnen: Um der Tiefe der Texte von Liddiard zumindest ansatzweise auf den Grund zu gehen, um seine Gedanken, die auch über den Rand dieser Platte hinaus wurzeln, sei ein Besuch bei den Ursachenforschern von Genius unbedingt empfohlen!]

Alleine diese sezierende Reichhaltigkeit eint ‚Feelin‘ Kinda Free‚ durchaus mit einem wichtigen Album wie ‚To Pimp a Butterfly‚, ebenso seine Radikalität und Schonungslosigkeit, und auch, dass das siebente Studioalbum von The Drones trotz all seiner vielschichtigen Schläue letztendlich doch auf emotionaler Ebene funktioniert – selbst wenn das Songwriting auf etwa ‚I See Seaweed‘ in seiner bekömmlicheren Ausrichtung auf unmittelbarere Art gefangen zu nehmen wusste (aber ganz ehrlich: was sollte in dieser Gangart nach diesem Album noch kommen? Die eingeleitete Zäsur ist also in gewisser Weise so konsequent wie logisch).
Das ausgehungerte ‚Then They Came for Me‚ ist ein Schwanengesang auf die Humanität, der traurige Basslauf gurkelt, weiß der Teufel welches Instrumente-Amalgam da den Mond anheult, während dahinter die Aggressivität und Distortion immer weiter anschwillt – Steve Albini und Kevin Shields werden es jedoch beide zu schätzen wissen!
Für das elektronisch-schwermütig treibende ‚To Think That I Once Loved You‚ holen sich The Drones die Kollegen von Harmony aus Melbourne ins Studio, um ein (etwas zu elaboriert zelebriertes) Auswringen gebrochener Herzen zu zelebrieren: „To think that I once loved you“ hallt es in verzweifelter Schönheit immer wieder in die Einsamkeit, bis nach der schmerzenden Katharsis Wunden heilen können: „I don’t wanna ruin your fun/ But you got your refund/And now I’m paid to make rain/ Where you burnt me„.

In konventionellen Händen wäre diese Peinigung wohl zur weihevollen Ballade geraten, für Liddiard musste der Weg ruheloser weitergehen: „OK, I’m going to quit fucking music if I have to keep playing this fucking blues guitar“ ist eine Kampfansage, weswegen in ‚Tailwind‚ die Gitarren auch eher wie surreale Mahnmale über dem wunderbaren Doppelgesang von Liddiard und der bezaubernden Fiona Kitschin auflöst, in orientalischer Unwirklichkeit, die an David Bowies finales Meisterwerk ‚Blackstar‚ erinnert, aber auch von den betörendsten Kleinoden der Bad Seeds träumen lässt.
Gerade aus diesen Fantasien reißt ‚Boredom‚, ein „bad trip you can dance to„, der seine Gitarrenseiten bis zum Zerreißen angespannt zupft und darunter erst erklärt, wo Liddiard die Verbindungen zum Hip Hop sieht und trotzdem genug Platz lässt, um die dissonante Wucht des Rock’n’Roll anzudeuten. ‚Sometimes‚ gibt dagegen die asketische Ballade in deliranter Schräglage und Kitschin in der Hauptrolle, irgendwo zwischen Tom WaitsSwordfishtrombones‚ und den hoffnungslosesten Momenten der Dirty Projectors taumelnd. Bis man sich mitten drinnen im verstörenden Anti-Pop von ‚Shut Down SETI‚ befindet, der die Shoegaze-Synthies bis zum Selbstaufgabe rumoren lässt und letztendlich sogar mit einem ambivalenten Lächeln entlässt: „It’s not that they could be our kings/ It’s more about fuck ups like Nanjing/ Do we need an overlord/ That finds us underwhelming?/…/And all that talk about ET being advanced/ Would only mean he wears the pants/ High tech don’t mean higher moral standards man/That’s kind of racist„.

Wie großartig The Drones die inszenierte Vielfalt ihres neuen, minimalistisch-bedingungslosen Sounds zu einem homogenen Ganzen verwoben haben, spricht dann für sich und lässt auch verschmerzen, dass ‚Feelin‘ Kinda Free‚ ein paar impulsivere Ausbrüche, ein paar klassischere aufgelöste Spannungsbögen eventuell durchaus noch gutgetan hätten.
Sei es drum: The Drones katapultieren sich noch weiter hinein in ihre eigene Liga, mitten hinein in eine manische Apokalypse, die sie endgültig wie niemand sonst da draußen klingen lässt. „The people who like us for our weirdness and who know what we personally get into will think we’ve finally done what we were supposed to do„. Womit Liddiard Recht haben könnte: ‚Feelin‘ Kinda Free‚ ist intensiv, spannend, eigenwillig, fordernd, bitter, infektiös, subversiv und fesselnd  – und damit bereits jetzt ein deklariertes Jahreshighlight. Darüber hinaus aber vielleicht auch der Ausgangspunkt für eine ganz neue Art von Glanztaten einer der spätestens jetzt über Kontinentalgrenzen hinausgehend stärksten Rockbands der Gegenwart.

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1 KommentarKommentieren

  • molton - 16. April 2016 Antworten

    einziges minus ist der vinyl-preis ;(

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