The Darkness – Easter is Cancelled
Nein, natürlich legen The Darkness mit Easter is Cancelled keinen tatsächlichen Wert auf kontroverse Ketzerei. Sie verpacken ihren typisch überkandidelt humoristischen Glam und Hard Rock diesmal nur in eine etwas aufmerksamkeitsgeischendere Optik.
Soll ja jeder mitbekommen, dass nicht nur die vier Briten auch im sechsten Durchlauf immer noch verdammt viel Bock auf ihre Posen haben, sondern der Spaß daran auch weiterhin enorm ansteckend sein kann.
Was so abseits der Riege loyaler Anhänger und unstillbarer Rock-Enthusiasten in jüngerer Vergangenheit doch einigen Käufern des Millionensellers Permission to Land entgangen ist. Dabei haben alle The Darkness– Alben seit dem vorübergehenden Schwanengesang One Way Ticket to Hell … and Back ihren Job auf überdurchschnittlichem Niveau verrichtet, waren stets besser als ihr meist durchwachsener Ruf, auch wenn rückblickend (abseits der grotesken Covergestaltung) wenig nachhaltiges Eindruck hinterlassen hat.
Dort setzt Easter is Cancelled nun an und lässt die gekreuzigten Muskeln spielen, indem es sich ambitionierter aus dem Fenster lehnt und die Halbwertszeit auszuhebeln versucht: Der Albumtitel ist (gerade mit einem Releasetermin im Oktober) noch abstruser als bisher, das Artwork hinterlässt mit seinen religiösen Reibungspunkten mehr Eindruck als die Hot Babes von Hot Cakes, das Astronautenbaby von Last of Our Kind oder die meisterhaften Photoshopskills von Pinewood Smile. Vor allem aber haben die aufgefahrenem Songs das Potential sich länger in Erinnerung zu halten als ein Gros des mindestens routinierten Materials seit der Reunion.
Wobei sich nach einigen Durchgängen schon zeigt, dass The Darkness-Platten trotz ihrer anachronistischen Veranlagung längst eher für das Momentum gemacht sind, auch weiterhin für die kurzweilige Unterhaltung gemacht bleiben und die kompositorische Substanz nicht vor Abnutzungserscheinungen gefeilt ist – gerade auf einer derart unmittelbar anfixenden Platte wie Easter is Cancelled, die entlang ihrer Stärken schnell zündet und vor allem eingangs auch durchaus beeindruckt.
Easter is Cancelled beginnt schließlich gleich mit dem Epos Rock and Roll Deserves to Die, das über den Acoustic-Eingang und folkloristische Prägung zwischen Genesis und Pink Floyd plötzlich zum fetten Stadionrocker im Queen-Modus aufplatzt, strukturell aber in weiterer Folge nicht die einfachsten Wege der Spannungsentladung geht, sondern über einen sakralen Space-Chor in immer progressivere Modi schaltet und das Gaspedal irgendwann einfach exzessiv durchdrückt. Stark!
How Can I Lose Your Love stampft danach hungrig aus dem Retrofuturismus los, legt sich jedoch lieber immer wieder entspannt in die dramatisch gestikulierende Romantik und packt nebenbei die bis in den Metal shreddernde Gitarrenvirtuosität aus. Live ‚Til I Die findet seine Inspiration bei den Proclaimers und The Who, selbst ein etwas billiger Refrain kann die potente Breitbeinigkeit der Band jedoch nicht hemmen. Das episch angedeutete Heart Explodes entscheidet sich trotzdem für eine fast subversive lauernd-aufblühende Gangart, der Titelsong peppt sein schon so dringlich knödelndes Riff zusätzlich mit folkigen Motiven, rhythmisch durchmischenden Spielereien sowie Vintage-Texturen auf und In Another Life öffnet sich besonders optimistisch einem leichten Sound, der die Melodien auf ein geradezu verträumtes Podest stellt und ein bisschen die Sonne aufgehen lässt. Das Händchen für schmissige Hooks, griffige Ohrwürmer, theatralische Spannungsbögen und schwindelerregend eunuchale Dynamiken ist auch auf Golgota intakt.
Mitten drinnen nimmt deswegen nur das formidable Deck Chair als Herzstück das Tempo konstant heraus, indem es melancholisch gezupft im Geiste Mercurys den mystischen Mond ancroont: „Whisked my poor deck chair away/Into the brine/ This blusterous swine/ Stole something precious from me, that day/ What will I sit on/ Now that my chair’s gone?/ Where will I rest my behind?“.
Irgendwie doch schade, das jede Emotion hier letztendlich ironisch gebrochen werden können muß, jede Leidenschaft auch ein billiger Witz sein können sollte – nur wenige Gefühle dürfen ohne den Kontrast der Satire als doppelten Boden existieren und wahren so eine gewisse Distanz. (Was aktuelle Kompositionen der Band auch per se unter ihre Klassiker reiht). We Are the Guitar Men ist als erhebende Hymne an die Gitarre deswegen auch nicht so hingebungsvoll, wie es möglich gewesen wäre und wird abseits davon gerade als Closer auch zu abrupt beendet. Die vorhandenen und durchwegs gelungenen Bonustracks hätten den regulären Albumfluss insofern durchaus aufwerten können.
Zumal mit Choke on It (quasi Weezer in Spandexhosen zwischen Batman-Soundtrack und generischen britischem Alternative Rock) zumindest eine schwächelnde Nummer aufgefahren wird, Heavy Metal Lover sogar an der Grenze zum Ausfall wandelt: Die Balance zur Satire und Tenacious D.-Imitation kippt hier, weil The Darkness unausgegoren durch eine phasenweise witzige, aber am Stück kaum schlüssige Aneinanderreihung aus wenig zwingend produzierten, phasenweise gar nervig durchsichtigen Versatzstücken taumeln und so einen halblustigen Clusterfuck abliefern, der unterstreicht, dass die Pointe der Band immer nur so gut ist, wie ihr Songwriting.
Knapp unter der nächsthöheren Wertungsstufe überzeugt dieses auf Easter is Cancelled dann zwar eben tatsächlich um das Quäntchen mehr, als bereits auf den meisten vorangegangenen Veröffentlichungen dieser zuverlässigen Bank von einer Band. Obwohl sich im kollektiven Gedächtnis vielleicht auch mit Easter is Cancelled andere Dinge primär festsetzen werden: Totgesagte Rocker leben manchmal eben doch länger.
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