The Coral – Holy Joe’s Coral Island Medicine Show
Nach dem kreativen, kritikerbestätigten Erfolg von Coral Island wurden The Coral eingeladen, als letzte Band in den Parr Street Studios aufzunehmen, bevor die Liverpooler Residenz endgültig ihre Pforten schloss. Heraus kam dabei Material für zwei Alben: Sea of Mirrors und Holy Joe’s Coral Island Medicine Show.
Das nur physisch veröffentlichte, einmalig aufgelegte Holy Joe’s Coral Island Medicine Show will dabei als Brücke zwischen Coral Island und dem offiziellen Nachfolger Sea of Mirrors verstanden werden, für die James und Ian Skelly ihren Großvater als Erzähler The Great Muriarty zurückholen, dessen charismatische Stimme (indem sieben von insgesamt 18 Tracks Radio-Moderationen darstellen, dazu kommt mit Drifter’s Prayer ein über die Cowboy-Piraten-Spoken Word-Stück) als roter Faden durch die 30 Minuten der Platte führt: „Eingerahmt in eine mitternächtliche Radioshow, die von einem Michelin-Luftschiff ausgestrahlt wird, das irgendwo über den Piers von Coral Island schwebt, ist »Holy Joe…« ein Liebesbrief an die Tradition der Death Disc und der Mörderballade, von Stack-o-Lee bis Skeleton Key und allem dazwischen.“
Mit einem Bein in einem romatisierten Nebel der Vergangenheit und einem in der Küste über der Prärie, ist die Symbiose aus der Stimmung von Coral Island und dem Westen-Ambiente von Sea of Mirrors nicht ganz so gut wie ersteres Werk (dafür ist der Gesamtfluss weniger ergiebig und die Rhythmusarbeit zu wenig variabel), aber dafür um merkliche Nuancen besser als zweiteres (weil der grundlegende Level des Materials höher ausgefallen ist, die Melodien und Hooks zudem einfach griffiger hängen bleiben).
Auf Holy Joe (Hitchhiker at the Highway’s Edge) sorgt ein subtiler Tex Mex-Swing, der ungefähre klingt, als hätten Calexico in den 60ern einen Song aufgenommen, den Tarantino für ein Roadmovie durch die Wüste nutzen könnte, für einen Instant-Liebling – auch wenn dieser jenseits seiner Spielzeit kaum Hartnäckigkeit zeigt. Prägnanter ist da schon die ungezwungen catchy schnullende Hook von Affiliation. Die gemütlich gezupfte Miniatur Hotel schlapft symptomatisch mit vager Country-Affinität, der Ohrwurm Leave this Town stackst im Dunstkreis der Psychedelik, und Never Be in Love Like That Again liebäugelt als wunderbar liebenswertes Kleinod an der Gitarre mit dem Folk.
Long Drive to the City ist ein angenehm bittersüßes Duett und Down By the Riverside schunkelt im relaxten Galopp, derweil Baby Face Nelson saloppe 90 Sekunden lang den unkomplizierten Spaß an Proto-Beatles probt und The Coral Island Killer diesen als melancholische Introspektive verdammt eingängig konterkariert. Dass Holy Joe’s Coral Island Medicine Show dann im letzten Drittel ein wenig das Gleichgewicht aus Songwriting und Storytelling verliert, macht nichts: Mehr als für Sea of Mirrrors gilt, dass sich die Begeisterung ob des Outputs von The Coral seit über einem Jahrzehnt im Grenzen halten mag, die Band aber nach wie vor einfach unfähig ist, tatsächlich zu enttäuschen. (Wofür dann ein Aufrunden zwischen den Punkten wertungstechnisch erlaubt sein soll.)
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