The Body and BIG|BRAVE – Leaving None But Small Birds
Als hätten sich beide Parteien ihre eigene Theme Time Radio Hour kultiviert, aus der sie nun 38 Minuten Spiritualität ziehen: Das Zusammentreffen von BIG|BRAVE und The Body findet auf Leaving None but Small Birds abseits der erwarteten Pfade statt.
Zumindest werden jene Erwartungshaltungen untertaucht, die aufgrund der Zusammenarbeiten der Gruppen mit beispielsweise Thou (da wie dort), The Lord oder Full of Hell vorab da waren. Aber sie lassen eben auch tatsächlich die jeweiligen Hohheitsgebiete (oder gar überschneidenden Kernkompetenzen) von etwa Vital und I’ve Seen All I Need to See hinter sich, fusionieren BIG|BRAVE und The Body doch dort, wo staubige Outlaw-Szenarien in der Romantik entrückter Folk-Gebilde und karg-ausgemergeltere Country-Gerippe sinnieren; wo Michael Gira seine Angels of Light auf PJ Harvey und Arbouretum treffen lassen könnte.
Blackest Crow klingt sogar, als würden Earth ein schamanistisches, feierlich schreitendes Acoustic-Ritual mit entschlackten, motorischen Swans und einer wiegenden Emma Ruth Rundle betreiben. Eine Fidel begleitet das Szenario irgendwann als Leithammel, zum Mäandern ist das eine Element zu aufgeweckt, die anderen zu fokussiert. In der rhythmischen Monotonie und der weichen Anmut entsteht so eine wohlig-hypnotische, fast halluzinogene Trance, eine beschwörende Konzentration in ungebundener, nonchalanter Bewegung – das Ende kommt beinahe zu abrupt aus dem Sog zurückziehend.
Während pepetitive Country-Muster da am Lagerfeuer auf finsteren Prärien über repetitive Rhythmen und Gesangslinien pendeln und perlen, deren Melodien und Texte Robin Wattie von „Appalachian, Canadian, and English hymns and folk songs“ sowie „psalms for the forgotten, threnodies of lost love, and odes to vengeance“ adaptiert hat – Leaving None But Small Birds also gewissermaßen zu Interpretationen von Traditionals auf neuem Nährboden macht – hat das Amalgam etwas gebetmühlenartiges, dessen vermeintlich asketisch-schroffes Auftreten nach und nach eine umspülende Wirkung entfalten: Man fühlt sich immer heimeliger in diesen Songs – und die an sich so monoton und invariabel davonlaufenden Stücke könnten plötzlich jedes für sich und allesamt am Stück gut und gerne noch lange weitergehen, man hat sich längst in diesem Kosmos verirrt.
Dass Leaving None But Small Birds acht kohärent um sich zirkulierende Einzelstücke rahmt, die ihr Gewicht trotz homogener Prägung nicht immer zu mehr als der Summe ihrer Teile verschmelzen können, ist nur ein relativer Kritikpunkt: auf atmosphärischer Ebene funktioniert dieser Ansatz sowieso fesselnd – und jedes Stück hier wächst sich nach und nach zu einem individuellen Liebling aus.
Oh Sinner gibt sich etwa bluesiger und zurückgelehnt, artikuliert den krautigen Groove. Die markante Stimme und die Musik geben sich gegenseitig genug Raum, die Gitarren oszillieren über den leicht brutzelnden Untergrund, kompakt und klar, kraftvoll und sehnsüchtig. Hard Times wandert über seine psychedelischen Grundierung, die Saiten finden gedankenverloren in transzendentaler Zeitlupe zueinander, als hätte Warren Ellis und 16 Horsepower einen Score mit LINGUA IGNOTA vor Augen und Sunn O))) im Herzen erträumt, pastoral gar. Die charakteristischen, immer wieder auftauchenden Harmonien mit Tasy Hudson hallen so betörend wie entspannt nach.
Black is the Colour reduziert sich dagegen bis zum am Korpus klopfenden Banjo samt übermütig aus der Komfortzone überschlagenden, leiernden Gesang, während die peitschende Zeitlupe von Polly Gosford die Distortion in der Nähe von May Our Chambers be Full köcheln lässt. Schuld und Sühne bekommen eine bittersüße Verzweiflung durch die beklemmend und erhebend wachsenden Arrangements, bevor Babes in the Woods seine versöhnlich-dumpfe, wärmend-optimistische Anmut lange Zeit als instrumentaler Drone zeigt, erst die letzten Sekunden sich lichtend ganz Wattie und einer meditativen Klarheit gehören.
Womit der Spannungsbogen der Platte doch noch rund geschlossen wird, einen eigenwillig-authentischen Anachronismus erzeugend, der seltsam vertraut und dennoch faszinierend herausfordernd klingt. Trotz klarer und allgegenwärtiger Assoziationen finden BIG|BRAVE und The Body im Verbund damit nicht nur eine eigene, so eklektische wie universell verankerte Nische im Ambiente. Die Synergie einer natürlich verschweißten Einheit (BIG|BRAVE|BODY) wirkt jenseits der bedrückenden Inhalte viel mehr auch verdaulicher und straighter, ohne die Tiefenwirkung zu umgehen und bringt damit beiden Parteien hier auf so vielen Ebenen neue, eventuell altmodischere oder konventionellere, sicher aber zeitlose Artikulationsform der Heaviness bei.
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