The Black Queen – Infinite Games
Greg Puciato, Joshua Eustis und Steven Alexander rekonstruierten auf Infinite Games ihre Vorliebe für anachronistischen 80er-Synthpop und elektronischen Ambient-Wave noch homogener und zwangloser, als bereits auf dem weitestgehend übersehenen Vorgänger Fever Daydream.
Der Quasi-Allstar-Zusammenkunft The Black Queen gelingt mit ihrem Zweitwerk durch eine beinahe formvollendete Balance von Ästhetik und Substanz, von Form und Inhalt, ein weiteres Mal, woran etwa die gefühlt ident motivierten AFI-Nebenprojekte wie Blakq Audio oder Dreamcar immer wieder zu kämpfen haben, andere prominenten Kollegen wie ††† oder Cold Cave verinnerlicht ausleben: Das Trio aus Los Angeles öffnet den Zeittunnel in die 80er mit einer Selbstverständlichkeit, in der Blaupausen bedient und Referenzpunkte zu jeder Sekunde ergiebig assoziativ offenliegen, Klischees und Manierismen aber nie über die Qualität des Songwritings gestellt werden: Mangelnde Originalität wird mittels Authentizität aufgewogen, Leidenschaft steht über dem Trenbarometer.
Infinite Games bedient sich so ohne zum reinen Tribut zu verkommen am Geist der Klassiker von Depeche Mode, hantiert mit der Tiefe melancholischer The Cure-Gesten oder bedient Tears for Fears-Praktiken mit vorsichtig modern gehaltenen Minimal-R&B-Produktionsansätze
Das klingt dann nicht nur im düsteren No Accusations, als hätten Nine Inch Nails ihren Industrial unter einen anschmiegsam Elektronik-Schleier samt cheesy New Romantic-Lyrics („No instinct for monogamy/…/ There is nothing I want more than/ To die with you next to me„) transformiert oder lässt aus dem entschleunigten Your Move eine vage The Xx-Anlehnung im hallenden Mitternachtsgefühl werden, dessen skelettierte Young Marble Giants-Aura in den dreampoppigen Ambient abdriftet.
Vielleicht liegt es zudem daran, dass Greg Puciato nach dem Ende von The Dillinger Escape Plan (und abseits etwaiger Nachfolger von Killer be Killed) nun vollends den Fokus auf The Black Queen legen kann. Vielleicht auch dran, dass Joshua Eustis sich mittlerweile weniger auf seine Jobs als Tourmusiker für Trent Reznor oder Maynard James Keenan konzentrieren muss, mit seinem Projekt Second Woman auch aus dem Erbe von Telefon Tel Aviv freigeschwommen ist. Oder vielleicht daran, dass Steven Alexander als Tech-Guy mittlerweile auch für unter anderem Kesha arbeitet. Jedenfalls wirkt Infinite Games im direkten Vergleich zum Debüt Fever Daydream nun noch einmal deutlich kompletter, traumwandelt auf einem hohen Level ohne dezidiert klar aus dem Gefühe ausbrechenden Highlights, aber diesmal eben auch ohne Schwächephasen.
Die Albumstruktur ist also ausgewogener und nicht mehr so sehr auf catchy in die Auslage stellbare Einzelsongs abgerichtet, sondern forciert den homogenen Fluss aus pluckernden Beats und unaufgeregten Melodien. Man wird deswegen auch weniger aufgrund explizit aus dem Kontext hervorstechender Szenen zurückkehren, sondern, um sich im ganzheitlich träumenden Rausch einer bisweilen beinahe reserviert klingenden Platte zu verlieren, die ihre Leidenschaft in geradezu subversiven Stimmungsbilder artikuliert, nicht unbedingt zwingenden, griffigen Hooks: Infinite Games forciert praktisch keine Ausbrüche, keine hart konturierten Amplituden in der subtil schwelgenden Unaufgeregtheit. Die Intensität entsteht eher durch die geschlossene Dichte der unverbindlich umgarnenden Songs, die niemals gänzlich zupacken wollen. Bittersüße Melodien breiten sich stattdessen verführerisch und sehnsüchtig aus, ohne tatsächlich greifbar zu werden – wodurch ein Reiz entsteht, der The Black Queen auch durchaus frustrierend noch nicht am Zenit ihres vorhandenen Potentials positioniert, vor allem aber als ein aus der Zeit gefallenes Mysterium inszeniert, für das ein nicht zu stillendes, schmachtendes Verlangen elementar ist.
Lässt man sich in dieses Klangwalten weich fallen, wehen schon im aufgeräumten Even Still I Want To ätherische Synthies, übernimmt Thrown Into the Dark nahtlos mit seinem in Zeitlupe versehenen Rhythmus und sorgsamen Texturen. Ein stimmlich auch abseits der gebrüllten Härte unheimlich versiert und selbstsicher agierender Puciato intoniert so vorsichtig, als könnte das Gefüge zerbrechen – selbst wenn der Refrain aufmacht, hält sich der Muskelprotz zurück, stellt die dezente Nachwirkung über das Momentum.
In Spatial Boundaries geben sich The Black Queen dagegen gelöster, optimistischer und lebendiger, der Chorus könnte auch als langsame Phoenix-Analogie durchgehen, bevor das sedativ pulsierende 100 to Zero die Rahmen enger zieht und den klanglichen Raum für das elegische Porcelain Veins öffnet, in dem Gitarren und Klavier in den Vordergrund schweben, das erweiterte Spektrum die kitschigen Texte egalisieren. Wohin das Trio insofern in Zukunft noch wachsen könnten, ist danach dennoch klarer, als durch das unspektakulär elegische One Edge Of Two. Den Grundstein dafür legt Infinite Games zwar über den Erwartungen, legt aber auch nahe, dass diese Herangehensweise an fesselnde 47 Minuten eventuell eine vollkommen falsche sein könnte: „It is a time capsule. Locked inside are people, ideas, times, places, and memories. Please take care of them all. We can’t wait for you to add your own to them.„
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