The Beatles – Now and Then
Wer hätte gedacht, dass die Beatles und die Stones noch einmal zeitgleich neues Material veröffentlichen würden? Wobei: „Neu“ ist die Single Now and Then freilich nicht.
Schließlich wurde die Nummer von John Lennon am Piano 1977 im Dakota nur bis zum Demo-Status aufgenommen – und der Plan, daraus von den noch lebenden Beatles nach Johns Tod (nebst Free As a Bird und Real Love) die dritten Single der Anthology-Serie basteln zu lassen, verlief im Sand: Now and Then wurde Mitte der 90er von Ringo, Paul und George schnell wieder zu den Akten gelegt, denn technische Fehler der Aufnahme oder Harrison’s generelle Abneigung gegen den Song wogen für die demokratisch bleiben wollenden Ex-Beatles zu schwer (während Now and Then Ende der 00er Jahre auf einem Bootleg auftauchte).
Nun, knapp drei Jahrzehnte nach diesem ersten Versuch einer Vollendung, ist Now and Then durch den Einsatz von AI-Technik, neue Schlagzeug- und Bass-Spuren, zusätzliche Arrangements sowie dazugebasteltes Archiv-Material von Harrison aus der Session von 1995 doch noch „fertiggestellt“, zumindest nach den künstlerischen Maßstäben von Ringo Starr und Paul McCartney für den Markt freigegeben worden.
Angesichts dieser kurzen Zusammenfassung eines zum Diskurs auf vielen Ebenen anregenden Hintergrundes kann man sich aber wohl darauf einigen, dass es sich bei Now and Then um einen alleine schon aus monetären Gründen nachvollziehbaren Etikettenschwindel handelt und tatsächlich (weder nach puristischen Wertmaßstäben Blick auf die Entstehungsgeschichte noch „gefühlt„) keineswegs um „den letzten Beatles-Song“.
Doch was nebst Grundsatz-Diskussionen letztendlich zählt, ist dann aber wohl die Antwort auf die Frage, was der Song an sich kann – die so allerdings eben nur ambivalent und kaum objektiv ausfallen kann (gerade wenn man die vier Minuten Musik im Beatles-Kontext betrachtet).
Gleich eingangs fällt auf, dass die Produktion grundlegend subjektiv zu modern und sauber anmutet, wenngleich man mit dem Sound durchaus leben kann, während die Klaviergestützte Ballade nie ganz aus dem Eindruck wächst, eine rundum tolle (wenngleich wenig spektakuläre, keine Gänsehaut oder – sofern man kein Gallagher ist – überwältigende Begeisterung erzeugen könnende) Lennon-Nummer zu hören. Die fabelhaft melancholisch (den soliden, nun aber geschmeidig im Ganzen funktionierenden Refrain übertreffenden) Strophen schmiegen sich sofort vertraut in die nostalgie-beseelten Gehörgänge, das restliche Instrumentarium steigt sanft ein, die dezente sinfonischen Ausschmückungen erblühen später zu den (übrigens aus Here, There and Everywhere, Eleanor Rigby sowie Because zusammengetragenen) Harmonie-Hintergrund-Gesängen.
Die eingängige Melodie sorgt derweil für einen Instant-Ohrwurm, für den normale Musiker wohl töten würden – gemessen am Beatles-Kanon oder den Highlights der vier Solo-Diskografien ist das romantische Now and Then aber eben „nur“ eine in bestmöglicher Weise gute Fußnote, der man jedoch (wiewohl Real Love der „würdigere“ finale Beatles-Song aus den Archiven gewesen wäre) trotz des Fehlen jedweder Magie keineswegs vorwerfen kann, wie ein unrunder Frankenstein-Clusterfuck oder gar herzlos kalkuliert zu wirken.
(Eine andere Geschichte ist, dass die 7″-Single dezent überteuert ausgefallen ist und deren B-Seite mit einem Remaster von Love Me Do sich als ziemlicher Griff ins Klo erweist, weil die Neubearbeitung die Instrumente auseinander rückt und dabei einen trägen Raum schafft, der allen Drive und viel der ursprünglich so dichten Chemie aus der Nummer nimmt.)
Ob die Existenz von Now and Then wirklich essentiell ist, gerade als Beatles-Werk vertrieben, spielt insofern vorerst eine untergeordnete Rolle: Es ist nämlich einfach schön, diese Musik hören zu können.
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