The Appleseed Cast – The Fleeting Light of Impermanence
Mittlerweile fühlt sich ja jedes neue Album der Midwest Emo/Indie-Institution The Appleseed Cast ein bisschen wie ein kaum noch für möglich gehaltenes Comeback an. The Fleeting Light of Impermanence ist eines ihrer besten.
Zumindest das beste seit ihrem hauseigenen Zenit um die Meisterwerke des Low Lewel Owl-Doppels von 2001 sowie Peregrine (2006) als logische Fortsetzung des Weges der beiden direkten ebenfalls wundervollen Vorgängern Sagarmatha und Illumination Ritual – vielleicht etwas weniger vertrackt, überhaupt eingängiger und griffiger packend, dafür aber sphärischer und i seiner sanften Präzission sogar auch immer wieder massiver rockend. Dafür rücken die Synthies im so geduldigen Songwriting prominenter in den Rahmen, stehen nicht im Fokus, weil Bandboss Christopher Crisci seinen Plan ein rein auf dem Tasteninstrument basierendes Album doch gekappt und adaptiert hat, sind aber als unterstützende Texturen, als Akzente und als Flächen auf subtile Weise nahezu ständig präsent auf The Fleeting Light of Impermanence.
Gravierender fällt allerdings der Eindruck ins Gewicht, den die Platte als Ganzes vermittelt: Mit gerade einmal 8 Songs in 44 Minuten und einer praktisch ständig wechselnden Auslage ist The Fleeting Light of Impermanence stimmungstechnisch zwar aus einem homogenen Fluss, sie fällt allerdings nicht so nahtlos geschlossen aus, wie vorherige Platten der Band. The Fleeting Light of Impermanence fühlt sich gerade im Vergleich zu hauseigenen Album-Alben der Band eher wie eine Songsammlung an, ein in Wellen und Schüben kommendes Mosaik, dessen einzelne Fragmente sich zudem ruhig noch länger, ausführlicher und ergiebiger in ihren Entwicklungswege legen hätten dürfen.
Was insofern als relativer Kritikpunkt am Kontext zu verstehen ist, da jede einzelne der neuen Nummern schlichtweg grandios geraten ist und das makellose Schaffen der seit jeher unter Wert verkauften Ausnahmeband mit subversiver Schönheit erweitern.
Die vertrackte, mächtige Rhythmik von Chaotic Waves geht Hand in Hand mit der geradezu verspielt lebendigen Melodie, die Synthies funkeln und fiepen dezent, suchen den Schulterschluß zu den Gitarren unf formen praktisch den ersten untypischen Ohrwurm. Petition glimmert feierlich – nur um dann umso lebendig-leichtgängiger in einen munter nach vorne gehenden Rhythmus zu verfallen. Richtig fein wird es aber erst, wenn sich die flotte Nummer hinten raus ausbremst, im Beat und Ambient zu schwelgen beginnt (und dabei durchaus an den Beginn von Papercut erinnert). Der Übergang zum Highlight Time The Destroyer gerät deswegen trotz hochfahrender Dystopie-Maschinen organisch und flüssig.
Die Spannung klimpert ohne nervöse Hektik, eindringlich und atmosphärischrisch, verdichtet die Wachsamkeit. Vollkommen entschleunigt wehen nautische Streicher in das Geschehen, wie man sie von den mystischen Tamer Animals kennt, irgendwann verfällt der zeitlose Song doch noch in den lange hinausgezögerten Groove, ist majestätisch und niemals wirklich greifbar, elegisch und trotz eigentlich wuchtigen Refrains konturlos, bevor die Band hinten raus in einem Science Fiction Meer und folkloristischen Elementen badet: Eine unwirkliche Eleganz und einer der überragendsten Songs der Band überhaupt, der zudem zeigt, welche Tiefenwirkung die einzelnen Nummern mit weniger klaren Nahtstellen zueinander noch erreichen hätten können.
Die fesselnde Sogwirkung der einzelnen, charakteristischen Mikrokosmen ist allerdings auch so fantastisch. Collision zaubert etwa märchenhaft-schiebenden Score im neonfärbigen 80er Gewand, wie er seit Stranger Things modern ist, gönnt sich wie die meisten Nummern eine imaginative Vorlaufzeit, bevor The Appleseed Cast alles gelingt, was Death Cab for Cutie in den vergangenen Jahren durch die Händw rann, bevor auch noch eine überschwänglich perlende Gitarrenlinie in die melancholische Aufbruchstimmung poltert.
The Journey ist progressiver Synth, träumend und intim, der mit dem Postrock flirtet und sich ihm auf fast schon elektronischem Weg nähert, bevor die Band in einen krautigen Trip Hop-Beat verfällt, der an Portishead denken lässt. Dass der Song leider ohne auflösenden Geistesblitz verpufft ist irgendwo symptomatisch: Das Songwriting von The Fleeting Light of Impermanence entlädt seine Spannungen niemals konventionell oder allzu offensichtlich, lässt das Kopfkino lieber wegdriften, anstatt es zum direkten Höhepunkt zu führen. Vielleicht werden die detailliert-komplexen Songs auch erst im Livegewand zu ihrer wirklich monolithischen Größe wachsen können.
Asking the Fire for Medicine wird so zu einem zwischen keyboardschweren Dreampop und Shoegaze behutsam polternden Stück Nachdenklichkeit, getragen und ohne Hast, nostalgisch in den Orgel-Weltraum sinnierend. Reaching the Forest wiederum ist lange eine instrumentale Klanglandschaft, die zu einem fast poppig swingenden Stück mutiert und der Closer Last Words and Final Celebrations kommt so lange ohne Gesang aus, bis dieser als späte Yndi Halda-Grandezza einsetzt, dann einen optimistisch-wärmenden, trostspendenen Glanz verbreitet und zu einem abrupten Ende findet, das dennoch versöhnlich entlässt: Wäre dies tatsächlich das letzte Wort von The Appleseed Cast, es würde der Band alle Ehre erweisen. Ein neuerliches Comeback wäre freilich aber noch besser.
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