Telefon Tel Aviv – Dreams Are Not Enough
Vielleicht auch durch den Erfolg des zweiten The Black Queen–Albums Infinite Games beflügelt hat Joshua Eustis den Mut gefunden, sein Stammprojekt Telefon Tel Aviv mit Dreams Are Not Enough nach knapp einem Jahrzehnt (Zwangs-)Pause zu reaktivieren.
Das Spektrum hat sich nach dem Tod von Eustis‘ langjährigen kreativen Gegenpol und Kindheitsfreund Charles Copper im Jahr 2009 für Telefon Tel Aviv allerdings verschoben. Als Soloprojekt manövriert Eustis die Wiedergeburt unter den Eindrücken seiner Arbeiten im vergangenen Jahrzehnt mit Second Woman, Sons of Magdalene und eben auch The Black Queen näher hin zum IDM und Post-Industrial, der die Downtempo Electronic stets einen latenten Blick auf glitchenden Synthpop haben lässt. Dreams Are Not Enough ist so eine Platte geworden, die melancholisch und nostalgisch eine mitternächtlich verträumt Sentimentalität entfaltet, stets unheimlich mystisch und sphärisch arbeitet, subversiv und dezent auftritt – und sich gefühltermaßen auch nicht restlos entschlossen zwischen Trauerarbeit und Aufbruchstimmung positioniert.
Subkutan wummernde Bässe und retrofuturistisch-pastoral schimmernde Synthies gehen nämlich niemals auf Konfrontationskurs mit den konträr schiebenden und rasselnden Rhythmen – alles hier scheint in einer bisweilen wohlig einnehmenden Symbiose im Einklang mit sich selbst zu existieren. Die 50 Minuten der Platte sind deswegen auch wunderbar organisch und vielschichtig texturiert produziert, unendlich zärtlich und entrückt, lassen Lagen voller Details entdecken.
Dreams Are Not Enough positioniert sich damit (ohne deswegen die Verbindungen zu den vorangegangenen Veröffentlichungen mit Copper außer Reichweite zu lassen) irgendwo in der Nähe von Boards of Canada und Autechre, die durch die melodische Sehnsucht der Vocals auch irgendwo weitläufig im Orbit von Double Negative (2018) kreisen – wenn wie in a younger version of myself, der Pop-Appeal erhöht wird, nähert Eustis sich auf eine geisterhaft-formlos Art gar sehr vage Depeche Mode oder New Order an. not breathing, hämmert dagegen erstaunlich hart und unmittelbar, zeigt mit Aphex Twin’scher Prägung das ständig wechselnde Distanzgefühl von Dreams Are Not Enough, versetzt dem hypnotisch Rausch der Platte damit ausnahmsweise einen körperbetonten Punch, ohne die Trance zu verlassen – wirkt aber im Kontext gerade so kurz vor Schluß ein bisschen unmotiviert den Fokus erzwingend.
Zumal Dreams Are Not Enough in einem meditativ fesselnden Bann ohnedies keinen tatsächlich erfüllenden Klimax anbieten will, eher wie ein Ambient-Album funktioniert, dass keine Spannungen lösen muß, sondern die Katharsis über eine gewisse Wohligkeit finden will. standing at the bottom of the ocean; wird als komplett entschleunigt-rasselndes Sphärenkino so niemals wirklich greifbar, bietet kaum Konturen an, an denen man sich reiben könnte, während mouth agape, eine fast schon hymnische Transzendenz entwickelt, diese hinter einem Schleier liegend aber nur andeutet. eyes glaring, liebäugelt über chorale Klänge dagegen lange mit ätherischen Score-Motiven, setzt letztendlich aber doch lieber auf genormte Motive.
Diese Ambivalenz macht dann durchaus einen gewissen Teil des Reizes von Dreams Are Not Enough aus, lässt aber auch eine gewisse Konsequenz hinter der wundervollen Atmosphäre vermissen, um die Freude über die Rückkehr von Telefon Tel Aviv nicht nur wie einen unwirklichen Traum anmuten zu lassen, auf den Cooper sicherlich nichtsdestotrotz stolz wäre. (Obgleich er sich eventuell ebenfalls gefragt hätte, warum die Trackliste so wunderbar als bildgewaltiges, durchgehendes Gedicht auftritt – es aber zwischen den Songs immer wieder Bruchstellen gibt).
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