Tchornobog & Abyssal – Tchornobog / Abyssal
Fünf Jahre nach dem selbstbetitelten Debüt gibt es endlich neues Material von Tchornobog – das noch dazu das Niveau des 2017er-Meisterwerks hält. Insofern ist es auf dem Split Abyssal jedoch leider eigentlich verschwendet.
Was nicht bedeuten soll, dass Antechamber of the Wakeless Mind, der von Gregg Cowell alias G.D.C. beigetragene Langtrack, an sich schlecht wäre – dies ist nämlich keineswegs der Fall. Wie sich die 24 Minuten aus dem Ambient schleppen, um in Schüben auszubrechen, dann mit dringlich-harschem Keifen und solierenden Gitarre manisch loszupreschen und über eine ruhende Einkehr kontemplativ zu miditieren, um das neuerliche Aufplatzen des Death mit diabolischer Melodieseligkeit zu einem klerikalen Finale samt choralem Chant in der schwelgenden Festivität episch heulen zu lassen – das ist aus kompositorischer Sicht viel eher sehr gelungen, ambitioniert angelegt und über einen schlüssigen Spannungsbogen gestreckt.
Die Produktion der Nummer ist aber absolut frustrierend dünn (ohne auch nur ansatzweise LoFi zu sein), verzichtet gefühlt auf jedwede Tiefenfrequenz, hat keinerlei Grundierung oder Saft, scheint viel zu flach nur in den Höhen zu agieren und kann die Wirkung des Songwritings über dünne Gitarren und durchsichtige Drums nicht in eine physisch zwingende Form umsetzen. Sicherlich ist dieser kaputte Sound beabsichtigt (man vergleiche schließlich nur das Auftreten von Abyssal und Antikatastaseis!) und hat in seiner Konsequenz auch einen eigenwilligen Charakter. Spaß macht er – gerade nach der komplett konträr inszenierten Tchornobog-Nummer – allerdings nur wenig.
Genau umgekehrt sieht die Sache nämlich bei The Vomiting Choir aus, obwohl das von Markov Soroka aufgenommene und durch Stephen Lockhart („Mix, Mastering and drum recording“) perfektionierte Klangbild der Tchornobog-Nummer ein betont ekelerregendes Erzeugnis ist. Vier Jahre hat der Exil-Ungar Soroka an den von seiner Gefolgschaft eingesandten, hier nun titelstiftenden Kotz-Aufnahmen gearbeitet und setzt das würgende Erbrochene (dezenter inszeniert, als erwartet) gleich zur rezitierenden Einstimmung als okkulte Körperflüssigkeits-Tempelmusik ein und wird dieser Ästhetik auch in den folgenden 24 Minuten treu bleiben.
Bald keifen die entmenschlichten Vocals der Entität Tchornobog über einen Disso-Death, der seine Blastbeats unter einem psychedelischen Riff revidiert – gleichzeitig diffus und hypnotisch fesselnd wie erstaunlich catchy in den Bann eines unter Strom stehenden bestialischen Strudels ziehend. Nach knapp sieben Minuten lösen sich alle Blockaden und The Vomiting Choir beschleunigt irre.
Wie technisch versiert das Kollektiv um Soroka (guitars, vocals, lyrics, tenor saxophone, percussion, vomiting, composition), Ragnar Sverrisson (drums, percussion) Gina Hendrika Eygenhuysen (bass) und Gia Hoi Nguyen (bass) dann seine Virtuosität in den Dienst der infektiösen Spielfreude stellt, ist ein Intensivkurs sondergleichen, die Dynamik bleibt unberechenbar und zwingend. Immer wieder scheint die Nummer dabei bis in die doomige Psychedelik abzubremsen, doch erst nach elf Minuten pendelt sie sich jedoch wirklich in der Katharsis ein, stampft über dem atmosphärisch sinnierenden Abgrund der oszillierenden Gitarre und einem nicht zu lokalisierenden Stimmengewirr, um die mystische Geste des Rahmens mit tranceartiger Percussion zurückzuholen.
Später taucht Tchornobog das Geschehen zwar wieder mit einer relativ nonchalanten Schmissigkeit an, injiziert dem knackigen Riff mit den Drums wieder das tollwütige Momentum, doch lösen sich die Spannungen keineswegs auf direktem, konventionellen Weg auf, sondern schunkelt so lange vorwärts, bis die rhythmischen Impulse greifen: Feierlich erhebend löst sich der Sog regelrecht versöhnlich auf und endet nach dem finalen Mantra fast zu abrupt – als neuerliche Machtdemonstration über allen sonstigen Plattformen von Soroka.
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