Taylor Swift – Midnights
Es klingt (auch hinsichtlich der 3am-Nachzügler) beinahe so, als hätte Taylor Swift für ihr zehntes Studioalbum Midnights gerne den mit Aaron Dessner eingeschlagenen Weg fortgesetzt, sich angesichts der anstehenden Stadiontour aber mit Jack Antonoff zu einer Kompromiss-Rückkehr in den Synth-Pop überzeugen lassen.
Als Konzeptwerk über „nocturnal contemplations“ ist Midnights schließlich weniger am Blockbuster-Feuerwerk interessiert, als dass es das massentaugliche Formatradio-Prinzip von Swift mit der 2020 von ihre gefundenen Intimität zusammenzuführen versucht: Der Sound speist sich aus Electronica- und Dream Pop-Elementen, aus nachdenklicher Chill Out-Atmosphäre und verhuschter Bedroom-Nahbarkeit. Tatsächlich fließen die prolongierten „smoothen grooves, vintage synthesizers, drum machines and hip hop/R&B rhythms“ durch eine stilistische Verortung, die Swift grundlegend ganz hervorragend steht – auch wenn Question…? mit seiner sphärisch-souligen Contemporary Ausrichtung gar frappant um die Kundschaft von Lana Del Rey buhlt (bevor die Nummer für die harmlose, teenietaugliche Stimmungsmache mit gefaktem Applaus und Cringe-Texten umschwenkt) und sich (das symptomatisch für beinahe jeden Song des Albums viel zu lange dauernde) Snow on the Beach die wirklich ideal ins Ambiente passende, das Geschehen jedoch vereinnahmende Grande Dame sowieso schon zuvor wahrhaftig eingeladen hat.
Der besonders elegisch gemeinte Langweiliger Labyrinth (der erst mit der nach unten gepitchten Stimme am Ende für ein klein wenig erinnerungswürdiger Nachhaltigkeit sorgt) und mehr noch die dunkle (ausnahmsweise komplett im Alleingang verfasste) Reduktion Vigilante Shit wirken dagegen wie stimmige Anbiederungen an das Hohheitsgebiet von Billie Eilish. Das alles sind nämlich Momente die dazu beitragen, dass das an sich nichtsdestotrotz sehr homogene Midnights manchmal etwas orientierungslos anmutet und zudem keinen übergeordneten Spannungsbogen vorweisen kann, der die Tiefenwirkung der oberflächlich bleibenden Szenarien verstärken würde.
Dazu kommen auch noch andere Probleme, die dem gefälligen Midnights leider an die Substanz gehen.
Die von Swift getragenen Melodien kennt man etwa gefühlt alle schon (zumindest extrem ähnlich) aus dem Effeff, der Gesang bleibt stets gleich ausgelegt und pflegt höchstens sanfte Amplituden in der dezenten Intensität (was grundlegend ja der Ausrichtung der Platte durchaus entgegenkommen könnte). Doch wirken Songs wie (das exemplarisch im abgedämpften Minimalismus pumpende) Lavender Haze, das plätschernde Anti-Hero, You’re on Your Own, Kid (mit seiner soften Steigerung), Bejeweled oder das durchaus Spaß machende Karma sowie die behutsame Epik Mastermind wie von einem kantenlosen Algorithmus in die neue Markenschiene übersetzte Baukasten-Nummern, voller Signature-Klischees und erprobter Formeln. Hits im Sinne von Shake it Off oder Cardigans sind das übrigens allesamt nicht, aber durchaus geschmackvolle Singles, für die man nicht den Sender wechseln wird…
…sofern man halt über Zeilen wie „Sometimes, I feel like everybody is a sexy baby/ And I’m a monster on the hill/ …/It’s me, hi/ I’m the problem“ oder „ Can I ask you a question?/ Did you ever have someone kiss you in a crowded room/ And every single one of your friends was makin‘ fun of you/ But fifteen seconds later, thеy were clappin‘ too?“ hinwegsehen kann und die schrottigen (oder zumindest subjektiv für jemanden abseits des Zielpublikums keinerlei Bezug zulassenden) Texte ignoriert.
Was nun sicher alles negativer klingt, als es gemeint ist – Midnights ist kein Album, das (weder im positiven, noch im negativen) sonderlich aufregende Reaktionen hervorruft, niemals schlecht ist, nur immer egaler, als nötig -da hätte letztendlich wie schon zuletzt mit ein wenig Feintuning so bedeutend viel mehr aus der Ausgangslage gemacht werden können.
Die angenehme Eingängigkeit der Platte funktioniert etwa vor allem in Maroon, einer subkutan-dunklen Reduktion entschleunigt R&B-Temdenz, die durch die besonders distanzierte und beinahe kühle Unaufgeregtheit zusätzlich fasziniert, oder dem mit untypischer Autotune-Hook daherkommenden Midnight Rain (das gewissermaßen meditativ ruhiger Ambient Pop mit 80er-Funkeln ist, James Blake lässt grüßen) absolut reizvoll, indem hier eine klasse Konsequenz mit klarer Linie gezeigt wird, die Midnights ansonsten eben auch abgeht.
Überdeutlich wird das ausgerechnet in (dem von neuerlich mit Boyfriend Joe Alwyn alias William Bowery entstandenen) Sweet Nothing, das mit der warmen Melancholie seines stillen Klaviers und den nostalgischen Bon Iver-Bläsern direkt von Folklore oder Evermore stammen könnte – und dabei nicht nur daran erinnert, was die beiden Vorgängerwerke doch ungeachtet der dabei gezeigten Makel für feine Wohlfühl-Kuscheldecken waren, sondern auch, wohin die aktuellen 44 (nicht immer kurzweiligen, aber sehr okayen) Minuten mit etwas fokussierterer Agenda hätten hinführen können, ohne ein redundanter Aufguss werden zu müssen.
2 Trackbacks