Tapir! – The Pilgrim, Their God and The King Of My Decrepit Mountain

by on 9. Februar 2024 in Album

Tapir! – The Pilgrim, Their God and The King Of My Decrepit Mountain

The Pilgrim, Their God and the King of My Decrepit Mountain ist zu zwei Dritteln eine Compilation, zu einem das daraus resultierende Finale – und im Ganzen mehr als nur ein vielversprechendes Debütalbum, dessen Eklektizismus staunende Heimeligkeit erzeugt.

Das von den beiden Bandköpfen Ike Gray (Vocals, Gitarre) und Will McCrossan (Keyboard, Drum Machine) zusammengehaltene Kollektiv aus Multi-Instrumentalisten – Tom Rogers-Coltman (guitar, saxophone), Ronnie Longfellow (bass), Emily Hubbard (cornet, synthesizer) und Wilf Cartwright (drums, cello) – mag anfangs keine wirklichen Absichten gehabt haben, seine seit 2019 im Windmill-Umfeld keimenden Songs auf Platte zu bannen, und musste sich davon erst von ihrem für sie letztendlich als Produzent fungierenden Kumpel (respektive Honeyglaze-Drummer) Yuri Shibuichi dazu überreden lassen. Doch tatsächlich mangelt es dem Debütalbum der Gemeinschaft aus Greater London nun keineswegs an Ambition: The Pilgrim, Their God and the King of My Decrepit Mountain ist ein Konzeptwerk in drei Akten, das seine Geschichte mit märchenhafter Atmosphäre, oftmals wenig profanen Texten an der Grenze zum fantastischem Klerikalismus über kammermusikalischen Indietronic-Folk Pop artikuliert.

Assoziationen sind dabei jedoch gefühlt deutlich wichtiger als handfeste Religiosität – und in der Symbiose aus Form und Inhalt definiert sich die Ästhetik der nicht vor humoristischen Brüchen zurückschreckenden Tapir! als ehemalige Vorband von Black Country, New Road stimmig. Der manchmal nasale Gesang lässt dabei nicht nur an Richard Dawson, Pinegrove und Everything Everything denken – die allgemeine Flut an Referenzen ist in dieser Compilation durchaus gut zusammengefasst, selbst wenn dabei noch viele weitere offenkundige Einflüsse wie Alt-J fehlen, während viele Songs aus direkten Zitaten und Interpolarisationen zu bestehen scheinen.
My God verschmilzt seine Strophe beispielsweise aus ein bisschen Something Stupid, mehr Swingin’ Party und einer Prise My Guy in ruhiger Hingabe zu tollem Minimal-Bedroom Pop, Gymnopédie schunkelt seine Verneigung im Titel tragend melancholisch dösend aus der Erinnerung an Holes ein wenig elektrifiziert, beinahe opulenter brutzelnd, und Broken Ark schippert gemächlich mit zurückhaltenden, aber so akribisch detaillierten Arrangements aus der Essenz von Rock Bottom Riser.
Was The Pilgrim, Their God and the King of My Decrepit Mountain neben seiner erfrischenden Klangfarbe und Ausdrucksform ein stets vertrautes Traditionsbewussten attestiert.

Wo jedes Segment von Little Wings-Mann Kyle Field als Erzähler eröffnet wird (in Act 1 (The Pilgrim) rahmt über ein kurzes Stakkato den Auftakt des gezupften, lautmalerischen Schwelgens und Pfeifens ein, Act 2 (Their God) ist eine Art sinnierender Strand-Spaziergang mit langem Ausklang und Act 3 (The King of My Decrepit Mountain) eher ein avantgardistischer, abrasiver Score) zaubern Tapir! mit vorsichtiger Hand schlichtweg tolles Songwriting aus den unaufgeregten Ärmeln.
Eilig pulsiert in On a Grassy Knoll (We’ll Bow Together) die spartanische Drum Machine, die Gitarren plätschern kontemplativ, das Piano tröpfelt und die Arrangements schwelgen verträumt in gemeinschaftlichen Harmonien zur hippiesken Wattierung, derweil Swallow ätherisch gallopiert, sein eigenwillig verspultes Spiel mit eingängigen Melodien weich umarmt und den nebenher anziehenden Beat stimmig in das Ganze einspeist.
In The Nether (Face to Face) ist der Rhythmusgeber naturalistischer und organischer angelegt, wobei der Refrain in halbschlafender Gemütlichkeit wie ein dösender Rap-Chor skandiert. Das schüchterne Eidolon ist ein exemplarisch liebenswürdiges kleines Duett als  flüchtige Miniatur und das sanfte Untitled als relativ konventionelles Duett ein Kleinod in Pavement-Nostalgie, dessen DNA sich der genauen Verortung geradezu körperlos entzieht, bevor Mountain Song sich als deutlich längster Song durch die Lounge tänzelnd von Fanfaren begleitet zur Funeral-Sehnsucht im Postrock schlängelt, dabei aber in seiner Erscheinungsform zu archetypisch den Closer machend substantiell ein wenig unterwältigend bleibt. Luft nach oben bleibt also, doch auch dieser Faktor trägt zur schwerelosen Konsumation der knapp 45, so kurzweiligen Minuten bei, die sich eine angenehm gefühlvolle Paralellwelt jenseits des Alltags erdenken.

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