Talvihorros – And It Was So
Ben Chatwin kommt auf seinem vierten Album unter dem Talvihorros-Banner dem Wunsch im Titel des eröffnenden ‚Let There be Light‚ nicht nach: ‚And it Was So‚ ist facettenreicher aber auch zielloser Ambient, der sich aus zahlreichen Nachbar-Genres speist und dabei die schweren Vorhänge gründlich zuzieht.
Näher ran an strukturiertes Songwriting kommt Chatwin auf ‚And It Was So‚ dabei selten, als ausgerechnet im mit über elf Minuten längsten Track, dem besagten Opener und gleichermaßen Leitwolf der Platte: gemächliche, drohende Drone-Riffs ziehen da unheilschwanger über verstörenden Sprachsamples auf; nichts wird konkret, bis ein Schlagzeug einsetzt, dass Bohren und der Club of Gore zwar immer noch schnell finden würden, hier aber nur Ausdruck der absoluten Losgelöstheit der Soundarbeiten Chatwin’s von Struktur und Zeit ist. Sequencerflächen treiben hier über Gitarren, die derartig großflächig funktionieren, dass sie nur selten so klar im Raum stehen wie im anmutigen ‚Great Sea Monsters‚. Viel lieber will ‚And It Was So‚ nämlich jene Art undefinierbaren Klangerlebnises mit beunruhigender Schlagseite sein, dass stockdunkle Wälder leuchtend erfüllt und gleichzeitig in finsteren Straßenschluchten funktioniert.
Dass Talvihorros (finnisch für Winterschlaf) in ihrem einnehmenden Schleier der Dunkelheit zu ambitioniert oder überladen zu Werke ginge, kann man Chatwin trotz – oder gerade wegen -der zahlreichen Gäste (Christoph Berg, Oliver Barrett, Anais Lalange, Jordan Chatwin – alte Denovali-Bekannte also vordergründig) nicht vorwerfen; dass es auf dem schwelgenden Nachttrip ‚And So It Was‚ vieles zu entdecken gibt, ist gerade einer der Vorzüge der Platte: besagtes ‚Let There be Light‚ wird hinten raus etwa der Schulterschluss aus weichem Mitternachts-Industrial und schwerem Doom-Jazz, ‚The Two Great Lights‚ mittendrin zur eventuell logischen Schnittmenge aus Sunn O))) und Johny Jewels Symmetry-Arbeit. Irgendwo tauchen im dichten Nebel der Effekte immer wieder sanfte Pianotupfer, feiste Beckenschläge, Celli oder Violinen auf, leise Rhythmen entstehen und verschwinden wieder, hier geistern anmutige Streicher, dort zieht ein weiterer Synthie-Wald auf, die Doomjazz Corporation lugt nicht nur bei ‚In The Midst Of The Waters‚ um die Ecke, Silent Hill ist hier nicht nur eine ferne Erinnerung.
‚And It Was‚ mangelt es wahrhaftig nicht an Möglichkeiten, Talvihorros spielt seinen Versatzstück-Ambient stimmungsvoll und atmosphärisch dicht, und doch ist es der Umgang mit den zündende Ideen, die allein das reichhaltige Instrumentarium zur Verfügung stellt, der die vorhandenen PS nicht auf den Boden bringt: das plötzliche Ausfanden im sorgsam ausgebreiteten ‚Swarms Of Living Souls‚ steht symptomatisch für eine Platte, die nicht so oft wie sie wollte zu mehr als der Summe ihrer Teile verschmilzt, zu selten konkrete Ziele abseits aufblitzender Einfälle anvisiert und als stimmungsvolles Becken an eineinander fließend verlaufender Genres das Kopfkino nicht ohne Stottern zirkulieren lässt, schlicht hinter seinen Möglichkeiten zurück bleibt. Dass ist zwar bei weitem nichts, wofür sich Denovali Records schämen musste – ähnlich geartete Klangwelten kennt man dabei aber just aus deren Stall bereits um Klassen besser.
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