Takafumi Matsubara – Strange, Beautiful And Fast
Auch wenn sich das Debüt-Soloalbum der arrivierten Szene-Legende Takafumi Matsubara durch seine unzähligen Features eher wie eine verwaschene Grindcore-Compilation anfühlt, steigt – das so passgenau betitelte – Strange, Beautiful and Fast doch auch in das Rennen um die beste Genre-Platte des Jahres ein.
Der Japaner, der hier eher wie ein wahnwitziger Kurator auftritt, dabei aber gleichzeitig zu jedem Zeitpunkt selbst nie mehr als ein Rädchen im Getriebe sein will und sein Können keineswegs auf ein Podest stellt, sondern stets im Dienste der Sache agiert, schießt in der absoluten Inhomogenität der Platte allerdings nur kurz vor Schluß wirklich über das Ziel hinaus. Dort gibt Abstract Maelstroms den funky Rap mit slappenden Primus-Bass und fällt einerseits komplett aus dem Rahmen – ohne aber im Kontext tatsächlich notwendigerweise vollends deplatziert zu erscheinen.
Immerhin hat Matsubara zu diesem Zeitpunkt von Strange, Beautiful and Fast bereits einige Grenzen ausgelotet. 無極 ist etwa praktisch eine Rezitation über extrem dicht gespielten Death-Gitarren, die sich irgendwann in den Himmel schrauben, und Pull Out My Eyes beginnt, als hätten Khanate ein Ambient-Jazzalbum aufgenommen, in dem hinter dem verfrickelt-überdrehten Drums nur ein paar deliriante Effekte mäandern – bevor die Nummer heißer und chaotisch in sich selbst zusammenstürzend explodiert, so dass man meint, Greg Puciato würde gerade das Fell über die muskulösen Ohren gerissen werden. Disparity hat dagegen durch das theatralische Wechselspiel der Vocals (wohl zumindest für westliche Gemüter) etwas fast cartoonhaftes, gönnt sich mit Fate of Fear aber trotzdem einen sekundenlangen Appendix, der nirgendwo hinführt – genau genommen auch nicht einmal aus dem ursprünglichen Stück heraus.
Man lässt Matsubara diesen Zirkus aber aus zwei Gründen ansatzlos durchgehen. Zum ersten ist es ein Wunder, dass Strange, Beautiful and Fast berhaupt existiert. Immerhin besiegelte vor knapp 5 Jahren ein Hirninfarkt, der seine linke Hand lähmte, im Grunde das sicher scheinende Karriereende der in Gridlink, Mortalized oder der bereits im vergangenen Jahr reaktivierten Retortion Terror mehr als verdienten Szenelegende. Dass der Gitarrist nach seiner mutmaßlichen Rekonvaleszenz keinen sonderlich akribischen Wert auf die Kohärenz übergreifender Spannungsbögen oder atmosphärische Tiefe legt, ist insofern wohl verständlich: Die Ideen mussten einfach (so lange es möglich ist) raus, werden deswegen leidlich fokussiert und doch auch homogen abgefeuert, Hauptsache es macht Spaß. Und das tut das kurzweilige, vielseitige Strange, Beautiful and Fast letztendlich – mehr als alles andere. Dass die Platte dabei einen dezitierten Tribut an den den verstorbenen Unholy Grave-Kumpanen Hee Chung darstellt, ist insofern sinnbildlich für diese Feier des Momentums.
Zum zweiten stimmt letztendlich vor allem die Qualität der 17 versammelten, ausnahmslos sehr guten Songs, denn die grundlegende Substanz trägt nahezu jede Spinnerei oder etwaige Sackgassen, hofiert aber vor allem so viele triumphale kleine Grind-Highlights, dass man mit dem Grinsen kaum nachkommt.
Stuttered Rope wechselt etwa archetypisch zwischen quiekenden Schreien und infernalem Gegrunze, das brillante Ice Pick lässt zwar hastigen Sprechgesang die irre Gitarrenarbeit überdecken und hätte gut und gerne dennoch ein Hit sein können. मेटिन लागेको अक्षर hyperventiliert als brutaler Wirbelwind, während Dignity 尊厳 einen latenten Lo-Fi-Charme an sphärische Chöre schraubt. Halo of Lies ist hart und muskulös, packt virtuose Riffs aus und schlendert entschleunigt heulend, schraubt sich dann über seine Core-Essenz aber immer weiter in die Höhe. Void Walker täuscht kurz melodiöse Harmonien an und tackert dann mit umso unerbittlicherem Speed, bollert zu beinahe psychedelischen Texturen, und Controlled Matrix of Thought zerfleischt sich in seiner Aggression selbst. S.A.M. wälzt sich als metallische Verfremdungsorgie Richtung Industrial-Hardcore-Interlude, bevor Filius Lapis wie in hypnotisch rezitierender Hypnose brütet und Crawlspace aus den finstersten Dümpeln der Hölle würgt und kotzt, während Selfish Vow sich progressiv immer weiter drangsaliert.
Einige Szenen davon gehören zum besten, was das Genre seit langem ausgespuckt hat – und das in einem Jahr, in dem No One Knows What the Dead Think und Cloud Rat die Standards verdammt hoch gestellt haben. Explizit Path to Isolation steht dann aber doch über allem, haut mit seiner im roten Bereich der Nervosität eskalierenden Gitarre eine der markantesten Linien hinaus, bleibt dabei aber vertrackt und herrlich ungestüm: Ein Geniestreich!
Dass derartige Momente überhaupt erst möglich sind, liegt auch an der absolut imposanten Gästeliste, die Matsubara aus seinem Grindcore-Freundeskreis rekrutiert hat: Neben Dylan Walker von Full of Hell geben sich Mitglieder von unter anderem Palm, Chepang, Fawn Limbs, Organ Dealer, Wormrot, Total Fucking Destruction, Merzbow, Noisear, Mortalized, Kill the Client, Completed Exposition, Gnaw und Khanate die Klinke in die Hand:„An album that not only pays condolences to his friend but also celebrates the friendships that Grindcore has brought to him through these years of up’s and down due to his health“, erklärt der Beipackzettel.
Wirklich schade ist nur, dass die phasenweise zu dumpfe Produktion niemals die facettenreiche Klarheit im Sound schafft, die all die (so zwangsläufig verschwimmenden) Details und technischen Finessen verdient hätten, und so das Gesamtbild von Strange, Beautiful and Fast weniger getrübt wird, als dass die Platte nicht am Maximum ihrer Möglichkeiten wütet. Im Grunde passt diese Inszenierung aber vielleicht ohnedies nur ideal zu einem zerschossenen Kuriositätenkabinett, dass diese den Grindcore hemmungslos feiernde Party geworden ist.
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