Swimming Bell – Charlie
Charlie ist ein kleiner Alt. Count/ Indie Folkrock-Schatz, den man nur zu leicht übersehen kann – wiewohl er eigentlich heimlich das ganze Jahr über behutsam das Herz wärmen könnte.
Seit Wild Sight, ihrem vor bald fünf Jahren erschienenen Debütalbum als Swimming Bell, ist Katie Schottland von New York nach Los Angeles umgezogen – was sich nun im Sound von Charlie deutlich bemerkbar macht: die eigentlich weitreichende, von Oli Deakin (der auch Bass und Gitarre auf diesem Zweitwerk übernimmt) Klangpalette („Drums by Morgan Karabel, Horns by Kyle Resnik, Pedal Steel by Tim Kelly, Additional harmonies by Allison Robinson, Rhodes by Lee Godleski“) ist sparsam eingesetzt, die Melodien und Inszenierung regelrecht unscheinbar, dabei aber so warm und anschmiegsam, wo ein latentes Laurel Canyon-Flair wie eine milde Brise über dem die Wirklichkeit oft hinter einem traumwandelnden Schleier beobachteten Blick liegt.
I Believe in Us beginnt da langsam klampfend, begleitet sich selbst als Harmonie. Eine Trompete steigt erst schüchtern, doch wenn der Rhythmus den Folkrock bedächtig nach vorne holt bestimmter ein, die Atmosphäre bleibt entspannt und unaufgeregt. Wenn der Opener sich hinten raus immer mehr mit einem zurückhaltenden Bewusstsein für den Pathos aufrichtet, eine feierliches Jubilieren zelebriert, wäre eigentlich ein idealer Schlusspunkt aus dem intimen Start zum fast pompösen Klimax erreicht – tatsächlich nimmt Katie Schottland hier aber vor allem vorweg, dass sich ihre Kompositionen meist nach einem genormten Schema entfalten: sie beginnen im Kleinen und Fragilen, wollen wie im Beck’schen Ash in the Jar oder der mit seinen Vocals bestechenden Schönheit Born Wild jedoch mit Raum erblühen, ohne dafür den Bombast oder die Opulenz zu erzwingen.
Bevor das tatsächliche Ende von Charlie nach dem tollen Curtiss Maldoon-Cover Fly Like an Eagle („Engineered/Drums/Lead Guitar/Piano by Glenn Brigman, Bass/Additional Lead Guitar by Alex Bulli“) als relaxt groovende 70s-Verneigung mit Dekalb Ave.(das als Gitarren-Genügsamkeit unendlich angenehm betörend schunkelt), The Carnival (dem erst lange nur Schellen und Acapella-Gesang genügen, bevor Swimming Bell den üblichen MO im Kielwasser von Feist, Angel Olsen und Sharon Van Etten bemüht) und das interessanterweise mit ziemlicher Lo-Fi-Attitüde in der Produktion daherkommende Just Begun eher wie ein weniger essentieller Appendix der Platte wirkt, lässt Schottland ihre eklektische Welt so aber mit einer wohligen, vertrauten Selbstsicherheit erblühen.
Take It Easy ist entspannter Americana, wie er Jeff Tweedy im Vorprogramm von Wilco gefallen sollte, weil auch das eigentlich kantige Solo so verträumt episch im Hall döst, ganz seinem Titel entsprechend. „We’re looking through their window/ All the disco lights/ I said it looks like for now we’re doing something right“ singt Schottland und auch die Zeilen „We made a sound like love/ With the parachute above“ fassen den Charakter eines zuversichtlichen, wenngleich wenige Risiken im Sinne der Originalität eingehenden Albums irgendwie gut zusammen.
Das zurückgenommene For Al and Lee klingt danach wie eine bittersüße in die Zukunft blickende Nostalgie, eine Erinnerung an Vergangenheit von Jonathan Wilson mit sphärischen, leicht psychedelischen Arrangements, und Company hat eine sentimentale Aufbruchstimmung, die den Saxophones gut stünde – und wer Aurora mochte, wird das hier lieben! – doch anstatt wie angestrebt in den Postrock zu transzendiern, ist die Nummer leider kurzerhand beendet.
Oft wirkt Charlie damit zwar auch eher wie ein Versprechen, denn eine Erfüllung. Doch durch die simplizistische, irgendwo universelle Tiefe, die Swimming Bell dabei schon auf Platte kreiert, lässt man sich darauf in aller Vertrautheit gerne ein.
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