Supplicate – Skulk

von am 31. März 2024 in Album

Supplicate – Skulk

Thou nähern sich endlich den langersehnten Nachfolger ihres 2018er-Monolithen Magus, doch hat Gitarrist Andy Gibbs davor noch die Zeit, sein Soloprojekt Supplicate mittels Skulk ein gutes Stück weit neu zu erfinden.

Konzeptionell von Gibbs vielleicht ursprünglich etwas plakativ als „music to do crime at night to“ veranschlagt begonnen, hat es den Mann aus New Orleans mit Skulk letztendlich zu einem weit persönlicheren, emotionaleren Werk jenseits der rein ästhetischen Vision geführt. Einer vielerorts kein Geheimnis aus fragilen, verletzlichen Schattierungen machenden (musikalischen wie textlichen) Intimität, deren vordergründig expressionistische Züge über viele Schichten in die Tiefe gehend ebenso nach innen wie nach außen strahlen, imaginativ wie physisch operieren.
Dabei sind die „dark beats for deep nights“ von Sulk stilistisch eben eine deutlich dunkler und heavier ausgerichtete  Neujustierung für Supplicate geworden: alleine der Unterschied in der Artwork-Wahl der dunklen Schatten-Urbanität im Vergleich zu Blush aus dem vergangenen Jahr markiert diese Entwicklung durchaus adäquat.

Ähnlich exemplarisch verhält sich auf anderer Ebene die Tatsache, wie selbstverständlich die zwischen Ambient und Electronic beklemmenden Welten von Supplicate dabei nun in ihren Bann zieht: Skulk muß sich eigentlich nur den Vorwurf gefallen lassen, dass es trotz seiner homogenen Atmosphäre eben aus acht oft fast zu kompakt gehaltenen Einzelstücken besteht (wo ein Sequencing mit einem nahtloser ineinander übergehenden Fluss die Wirkung der nichtsdestotrotz so dicht gestrickten Platte mutmaßlich sogar noch intensiviert hätte?).
So oder so arbeitet die szenische Herangehensweise jedoch wie ein Kaleidoskop, das in der grundlegend farbreduzierten Variabilität keiner tristen Gleichförmigkeit anheim fällt und am Ende mit einem nicht restlos erschöpfenden Suchtpotential erfüllt.

Martialisch, aber mit einem faszinierend mystischen Flimmern, dessen melodischer Subtext etwas nicht greifbar reizvolles hat, fliegt V2K als finsterer Dark Ambient weniger beklemmend als vielmehr spirituell über den ätherischen Nebel einer postapokalyptisch Stadt. Die vor Distortion knisternden minimalistischen Elektro Drums treiben in der Frequenz gepitcht, und obwohl es theoretisch wummert und kreischt, erzeugt Gibbs schon hier eine stellare Wärme, sphärisch beschwörend einnehmend – wie ein Blade Runner-Albtraum als seltsam eingängige Wohlfühlzone.
In The Penrose Stairs verschiebt er seine modulierte Anachronismen in dystopischen Flächen, erzeugt schemenhaft eine beeindruckend monolithisches Ahnung, derweil verschwommene Gitarren und der elegisch  in den Reverb entrückte Gesang die pulsierende Ethereal Wave-Clubmusik verziehen. Nach knapp fünf Minuten Spielzeit hat man allerdings eher das Gefühl, dass The Penrose Stairs (durchaus exemplarisch, aber mehr als die meisten anderen Songs der Platte) bei seinem Finale erst dort ist, wo der Song sich wirklich öffnen, in sich selbst legen kann – anstatt an seinem zu abrupten Ende angekommen zu sein.

In Ultrazone eilt ein subkutan abgedämpfter Industrial auf die halluzinogene Tanzfläche und Barrier Aggression meditiert zu dominanter Percussion wie ein verstörender Dungeon-Ladebildschirm. Gitarren und Gesang schlängeln sich für Closed Sys durch eine Goth-nahe Trance und zelebrieren die Melodie als Vergänglichkeit im Hall, derweil das von Kumpanin Robin Wattie verführte Watchword im Drone samt The Body-Attitüde und Zeitlupenbeats eine Art sexuelle Atmenübung mit Gasmaske darstellen könnte.
Suburban Spells glüht astral wie ein Shoegaze-Score für den Weltraum nach und Anvil Heart assimiliert Trip Hop-Verhaltensmuster mit einem motorisch schleppend Singsang. Kompositorisch und inszenatorisch hat das alles Hand und Fuß, adelt sich gar mutmaßlich als frühes Genre-Highlight des Jahres, obgleich man angesichts der Trittsicherheit manchmal gar meint, dass Gibbs sich zukünftig ruhig noch selbstsicherer in den hier von ihm kreierten  Kosmos stürzten könnte. Doch ist das eigentliche Highlight stets die dabei erschaffene Stimmung, die Skulk dabei ganzheitlich erzeugt. Vielleicht ist dieser Paradigmenwechsel insofern ja das vorauseilende Yin zum angeblich sehr entschlackt und direkt daherkommenden Thou-Yang?

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