Sunn O))), Puce Mary, Robin Fox [01.03.2019: Orpheum, Graz]
Fraglos kein fairer Wettbewerb: Zeitgleich zum diesjährigen Bauernbundball in der Stadthalle schickt das Elevate Festival 2019 mit den Frequenz-Päpsten Sunn O))), Experimental-Hypnotiseurin Puce Mary sowie dem Installations-Spektakel Robin Fox absolute Hochkaräter ins Rennen – Let There Be Drone!
(Lederhosen oder Mönchskutten, „sauguad“ oder (das Noel Gallagher wohl stolz machende) „Real Is Fake“ wären also theoretisch die Wahlmöglichkeiten an diesem Abend. Zwischen zwei Veranstaltungen, die im einen Fall jemanden auf die Bühne holen, der 2011 natürlich nicht versucht hat, als lebendes Hakenkreuz zu posieren, sowie durch seine Nominierung unlängst auch einen Boykott bei den kommenden Amadeus Awards bedingte, während auf der anderen Seite Namen wie den Kulturverein grrrls, Hyperdub oder Pamela Anderson als Aktivistin im Diskurs-Lineup auftauchen.
Wie hoch die Zielgruppenüberschneidung der beiden inhaltlich und ästhetisch nicht wirklich vergleichbaren Veranstaltung überhaupt ist, sei jedoch dahingestellt, wo die Entscheidung zwischen den beiden Events praktisch ohnedies selbstverständlich fällt – also endlich auf zu den wesentlichen Dingen).
Robin Fox, ein Audio/Visual-Artist aus Australien und alter Bekannter von Elevate-Gästen wird am Ende seines fast einstündigen Sets der Erste sein, der den Usus eines Abends mit nahezu keinerlei verbaler Interaktion zwischen Künstler und dem Publikum praktiziert – eine Verbeugung mit gefalteten Händen wird dem Mann aus Down Under ebenso genügen, wie es auch bei den nachfolgenden Acts aus Kopenhagen bzw. Seattle der Fall sein wird.
Noch weitere einende Gemeinsamkeiten der drei stilistisch doch relativ weit voneinander entfernt positionierten Acts: Die jeweiligen Sets werden ohne Zwischenansagen oder Unterbrechungen zelebriert, einzelne Songs sind ohnedies kaum auszumachen und eine gewisse Distanz gehört allgemein zum Konzept, wo alle drei Auftritte als einheitliche Gesamtkunstwerke zu verstehen sind.
Abseits davon ist die Spannweite von Robin Fox zu Sunn O))) jedenfalls selbstverständlich beträchtlich, wenn pünktlich um 20.00 Uhr unerbittliche Elektronik mit einer wilden Lichtshow zu ballern beginnt, bis die Eingeweide vibrieren. „Single Origin“ wird als dritter Teil einer „bahnbrechenden, einflussreichen Serie für Laser und Klang, die die Möglichkeiten der mechanisch induzierten Synästhesie untersucht“ beschrieben, die sich letztendlich als eine zuerst fesselnde, mit jeder verstreichenden Minute aber auch zur Langeweile abstumpfen lassenden Lasershow-Reizüberflutung entpuppt, zumal sich phasenweise der Eindruck einer gewissen Wahllosigkeit in der Konstruktion des hektischen Gezockes einschleicht.
Was aber auch daran liegt, dass der Auftritt in der an sich keine Wünsche offen lassenden Location verschenkt ist: Die Blicke des Publikums sind allesamt auf die Bühne gerichtet, dabei konzentrieren sich die Projektionen von Fox logischerweise genau auf die gegenüberliegende Seite – wo das intensive Laserschauspiel jedoch durch den Balkon im Orpheum gebrochen wird, das Spektakel also niemals restlos zur Geltung kommen kann.
Schlüssiger funktioniert danach der Auftritt von Frederikke Hoffmeier alias Puce Mary, die sich einen elektronischen Ambient-Kokon aus alptraumhaft anziehender Klaustrophobie und unbequem einnehmenden Post-Industrial beschwört, der nicht nur für sich stehend dramaturgisch einen sehr durchdachten Spannungsbogen Bogen aufweist, sondern generell einen homogenen Konsens zwischen den beiden Polen Fox und Sunn O))) anbietet. Puce Mary strickt ihr brütendes Amalgam aus sphärischen Melodieanansätzen, imaginativen Samples, rezitierendem Sprechgesang und bisweilen auch zwingend den Körper ansprechenden Beats immer dichter, bis die ersten Zuhörer in hypnotisch wippende Bewegungen verfallen. Auch live hat das was von Pharmakon ohne Terror, ist aber zudem noch runder und in sich geschlossener, als auf Platte. Hoffmeier steht auf ihrer Kanzel, dreht an Knöpfen und verliert sich selbst in diese eigenwilligen Klangwelten, schreitet dann wieder vor ihr Instrumentarium und begutachtet das die Skepsis immer weiter ablegende Publikum prüfend.
Das tranceartige Set rund um The Drought aus dem vergangenen Jahr ist mit enorm kompakten 30 Minuten jedoch nicht erschöpfend genug vorbei, wenn der grenzenlos ineinander übergehende Fluss geradezu abrupt abgedreht wird.
Einen Schönheitsfehler der umgekehrt proportionalen Art hat dagegen der Ausklang von Sunn O))) knapp zwei Stunden später. Auf ihr 90 minütiges Set spendiert die Doom-Instanz noch wohlwollend eine zehnminütige Zugabe, die es so aber eigentlich nicht unbedingt gebraucht hätte: Zu marginal unterscheidet sie sich diese (natürlich, bei aller Liebe!) vom zuvor gebotenen Material – mit der Ausnahme, dass man durch die dazwischenliegende Unterbrechung doch merklich aus der alltagsabgeschotteten Stimmung aufgeweckt wurde, die Greg Anderson, Stephen O’Malley und ihre Gehilfen zuvor erstaunlich kurzweilig ausbreiteten.
Und ja, freilich kennt man den MO der Band mittlerweile, wenn sich undurchdringliche Rauschwaden über die Bühne legen, die Frequenzen in Zeitlupe verschoben werden und die Saiteninstrumente mit infernaler Lautstärke brummen, selbst profane Gesten wie das Weiterreichen einer Weinflasche theatralisch segnend zelebriert werden. Sunn O)))-Konzerte wurden immer schon als physische Erfahrung, als meditativer Trip in die spirituelle Heavyness definiert – auch knapp 21 Jahre nach der Bandgründung trifft dies (und so viele andere Ehrerbietungen für die quickende Phrasensau) weiterhin eindrucksvoll zu: Man bekommt nicht weniger als punktgenau, was man erwartet.
Weswegen dann aber eben auch die minimalen Details ins Gewicht fallen, mit denen Sunn O))) auf der aktuellen Let There Be Drone-Tour seit beispielsweise ihrem letzten Wien-Besuch feine Nuancen in ihrem Auftreten verschoben haben.
Nur augenscheinlich sind diese rein personeller Natur. Doch Pfau Attila fehlt diesmal deutlich im Lineup – und man wird den ungarischen Mikro-Vorstand dann überraschenderweise über die volle Distanz doch ein klein wenig vermissen.
In der Abwesenheit des grollenden Zeremonienmeisters bleibt die Bünenmitte deswegen frei, die Bandköpfe O’Malley und Anderson sowie Bassist Tim Midyett positionieren sich vor der einmal mehr eindrucksvollen, halboval das Bühnenbild dominierenden Verstärkerwand, während die Multiinstrumentalisten Tos Nieuwenhuizen und Steve Moore an ihren Moog Synthesizern mittig in dieser verschmolzen sind.
Symptomatisch dafür ist der Beitrag der beiden im unfassbar dichten Gesamtsound nur schwer auszumachen (zumindest in den vorderen Reihen des Publikums positioniert), geht in der puren Lautstärke der Saiteninstrumente unter. Dennoch: Lichten sich die massiven Kaskaden der frequenzverschiebenden, monolithischen Gitarren (und passend dazu auch die Sichtverhältnisse auf der Bühne, die neben dem obligatorischen Rot- und Blautönen nun nicht nur ein dezent größeres Farbspektrum zulässt, sondern phasenweise gar vollkommen rauchfrei den Blick auf die fünf Kuttenträger und ihr potentes Equipment frei gibt), zeichnet sich gerade in diesen vergleichsweise befreiend durchatmenden Phasen ab, dass diese modulierenden, elektronisch anmutenden Ambient-Elemente die nötigen texturierenden Impulse setzen könnten, um nach dem enttäuschenden Sperrfeuer Kannon (bzw. eine Dekade hinter dem Klassiker [amazon_link id=“B071CZT49P“ target=“_blank“ ]Monoliths & Dimensions[/amazon_link]) mit dem Doppel aus dem kommenden Pyroclasts sowie Life Metal (ein Titel, der an die besten Tage von HIM oder die weniger guten von Pantera denken lässt und schon jetzt für ziemlich unhübsches neues Merchandise verantwortlich zeichnet) für frischen Wind im Sunn O)))-Kosmos zu sorgen.
Der wellenförmig aufbrandenden Dynamik der ausnahmslos instrumentalen Setliste tut das kommende Schaffen jedenfalls gut, es verschwimmt nahtlos mit dem wie immer kaum eindeutig zu identifizierenden Archivmaterial: Die einsteigenden Riffs von Anderson zu Beginn erreichen jedenfalls eine erstaunliche Kompaktheit, sogar Goatsnake-taugliche Doomhaftigkeit, werden von O’Malleys flächigen Spiel ansatzlos assimiliert. Später räumen Sunn O))) den brodelnden Morast für typische Bläser-Akzente, kaum greifbare Fieberträume aus dem Darkjazz, und irgendwann meint man gar den gesampelten Presslufthammer von Belülrol Pusztít martialisch arbeiten zu hören: Tatsächlich griffige Konturen bleiben aber aus, nichts wird trotz der unfassbaren Physis des Konzerts tatsächlich greifbar.
Wenn die Band sich also kurz vor halb zwölf auslaugend über röhrende Höhepunkte das Kopfkino tranceartig auf zentnerschwere Reisen geschickt hat, die fünf Musiker ihre Instrumente gegen die Verstärker gepresst und weihevoll in die Höhe gestemmt haben, ist im Grunde alles essentielle gesagt. Die andächtige Stille im inhomogenen, aus maximal einem Drittel Metalheads und großteils mutmaßlich eher mit Festival-Pass angereistem Publikum weicht Applaus, eher zufrieden als euphorisch. Das Ankreiden der darauf folgenden Zugabe bezieht sich also eben wirklich nur darauf, kein elementarer Bestandteil einer auslaugenden und praktisch makellosen Show inklusive gewohnt perfekter Elevate-Rahmenhandlung gewesen zu sein.
Sunn O)))-Konzerte sind eben selbst mit einer gewissen Vertrautheit immer wieder ein unheimlich erfüllendes Erlebnis, Raum/Zeit-Eskapismus der transzendentalen Art, von einer Band die letztendlich ohne Diskussion schlichtweg konkurrenzlos ist.
Bessere Fotos des Abends gibts übrigens hier zu sehen.
Kommentieren