Sun Kil Moon – Nervous to Fly
Nervous to Fly, die nächste heimlich veröffentlichte und ziemlich grandiose Single von Sun Kil Moon innerhalb eines Jahres, reiht sich in nahezu jeglicher Hinsicht in den durch The Doorbells are Ringing und Black Perch beschrittenen Weg.
Genau genommen geht Nervous to Fly sogar insofern ein kleines bisschen weiter, indem es die wunderschön ausgebreitete Geduld der beiden Vorgänger-Nummern, die bereits an frühe Sun Kil Moon-Anmutigkeiten erinnerte, pflegt, deren Gespür für melodiöse Eingängigkeiten ohne aufdringliche Penetranz aber nicht neuerlich „nur“ mit der weiblichen Backingstimmen-Begleitung ausschmückt, sondern deren Präsenz noch mehr Raum und Präsenz gibt.
Soll heißen: Während die weich und klar perlenden, angenehm repetitiv wogenden Gitarrenmuster zu Kozeleks einnehmenden (weniger Sprech- als wirklich mehr) Gesang (!) unaufgeregt treiben, bewandert Mary Graham nunmehr nicht mehr nur die harmonisch streichelnden Unterstützungs-Ecken – der 56 Jährige Musiker überlässt der Sängerin neben Momenten des beinahe ebenbürtigen Duetts gar auch einmal kurzzeitig das Rampenlicht überlässt.
Was stilistisch an sich wunderbar passt – und vorerst auch den konsequenten, selbstsicheren Zenit der aktuellen Evolutionsstufe von Kozelek darstellt – letztendlich aber doch vor allem die Achillesferse von Nervous to Fly offenlegt: wenn die inhaltlich Familienperspektiven betrachtende Single Kozelek (oder sein fiktives, literarisches Ich?) als großen, protective Brother huldvoll in den Mittelpunkt rückt und von Graham hell erhebend bejubeln lässt, dann hat das auch einen unangenehm latenten Cringe-Beigeschmack.
Spätestens sobald das tänzelnde Finale grummelnd die Gewichtung verlagernd tändelt, ist das aber ein nur bedingt gravierender Schönheitsfehler: Nervous to Fly bezaubert als unwahrscheinlicher Ohrwurm voller subversiver kleiner Hooks und einer kontemplativ Tiefenwirkung. Die Renaissance des Mark Kozelek geht also zumindest in musikalischer Hinsicht weiter.
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