Sun Kil Moon – All the Artists
All The Artists ist – wie schon Quiet Beach House Nights zuvor – überwiegend eine Sammlung von Songs, die Mark Kozelek in den vergangenen Jahren als sporadisch erscheinende Sun Kil Moon-Singles veröffentlicht hat.
Dieses bereits bekannte Material – mitunter fabelhafte Songs wie etwa The Great Meadow (eine Elegie über das Fischen und die Sterblichkeit), All the Artists Live in L.A. (eine „Früher war alles besser“-Nostalgie über Vergängliches), das herausragende Bees on Echinacea oder die gefühlvoll sentimental-kitschige Weihnachts-Lounge-ockerheit Christmas in New Orleans – formt dann auch den stilistischen Rahmen von All the Artists: Bbis auf die lustlos vorgetragene und schlichtweg bocköde Redemption-Story San Diego als garantierter Spoken Word-Skip-Kandidat besteht die Platte aus angenehmen Klavierstücken (mitunter im Midi-Doogie Howser-Sound), über die Kozelek mit einem etwas ausgeprägteren Hang für Gesang (als es meist in den vergangenen zehn Jahren der Fall war) seine üblichen Alltags- und Natur-Beobachtungen, Freundschafts-Auflistungen, Caroline-Aktivitäten und banalen Popkultur-Referenzen erzählt. Charakteristisch, polarisierend.
Wo die meisten Songs von All the Artists dabei ganz allgemein zumindest spielzeittechnisch ein klein wenig Trimmung vertragen hätten können und nie zwingend über die Fünfminutengrenze hinaus schwadronieren hätten müssen, kompositorisch aber nichtsdestotrotz auch so einen gefällige Melodiösität zeigen, liegt auf der inhaltlichen Ebene – gerade bei den bisher unbekannten Stücken – einmal mehr die Achillesferse von Sun Kil Moon in der Post-Benji-Phase.
Mehr noch: Mitunter weiß man diesmal tatsächlich (wieder) nicht, ob Kozelek hier im sich selbst persiflierenden Modus arbeitet, so skurril bedienen die Lyrics bisweilen die Klischees, die über den Mann aus Ohio grassieren.
Als Paradebeispiel dafür bietet der Jeremiah Green-Tribut Green neben der Aufzählung von Bariton-Vertretern bierernst nölend vorgetragene Zeilen wie „She’s a Soprano, she’s a Soprano, like Carmela, and Meadow“ oder „Mark, You’re 56/ How Are You so fucking handsome“ zu bieten, derweil Akzente in den Texturen (wie eine behutsame Melodramatik, dezente R&B-Ahnungen oder Harmonie-Begleitungungen) kaum Prägung bekommen. Persephone dreht sich dagegen mehr oder minder über das Verschwinden alter Freunde in COVID-Zeiten und das einhergehende Auftauchen neuer, wo Kozelek vom Feuilleton ignoriert kein Plattenfirmengoldesel mehr ist – doch vor allem will die Nummer als Verneigung vor der titelstiftenden Barista-Kellnerin und ihrem Klasse-Eistee verstanden werden. Inklusive random auftauchender Streicher und einem phlegmatischen Sprachsample, das Begeisterung mit absoluter Lethargie ausdrückt.
In Friendly Fire deklariert Kozelek gleich zum Einstieg „I’m more than a guitarist and a singer“ und landet über „Mom and Dad/ I‘ll be home soon“-Versprechen bei der Erkenntnis, dass er seinen Nachnamen für Nichts auf der Welt tauschen würde. Eine emotionale Hebelwirkung ist dabei praktisch nicht vorhanden.
Stattdessen sind das dann Momente, die die besten Szenen von All the Artists leider auf frustrierende Weise ein gutes Stück weit aushöhlen – selbst wenn der mit einem breiteren Instrumentarium ausgeschmückte Closer Writers Write als plätscherndes 80er-Oszillieren samt vorsichtigem Schlagzeugspiel ansatzweise überzeugend aufzeigt, was man am Status Quo von Sun Kil Moon in der vergangenen Dekade durchaus auch mögen kann. Und grundlegend ist es auch wirklich toll, Kozeleks Stimme im Verbund mit einem (manchmal etwas billig klingenden) Piano zu hören. Alleine als passive Begleitung hat das eine reizvolle, charismatische Anziehungskraft, fern jeglicher Magie.
Die Ernüchterung wiegt angesichts des liegen gelassenen Potentials und der simultan zelebrierten Schönheitsfehler eines Musikers, der diesmal wieder zu oft wie eine hängen gebliebene, grumpy Schallplatte textet, dennoch schwer. Auch wenn es paradoxerweise eine erfreuliche und unerwartete Situation ist, dass Kozelek nach Quiet Beach House Nights (2023) und der starken Amoeba-Zusammenarbeit (2024) hier überhaupt erst wieder in der Position ist, mit seinem Ergüssen enttäuschen zu können.
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