Sumac – What One Becomes
Aaron Turner, Nick Yacyshyn und der mittlerweile offenbar fest zum Bandgefüge von Sumac gestoßene Brian Cook wollen es knappe 16 Monate nach dem furchteinflösenden Ungetüm The Deal erst so richtig wissen, und treiben ihr schmutziges, minimalistisches Post-Sludge-Metal-Gebräu unter Mithilfe von Kurt Ballou kompromisslos in die Extreme.
„Verschweißen Sumac ihre ausfransenden Anfang- und Endpunkte erst einmal kompakter und fokussierter, ist Turner einem weiteren Meisterwerk wohl näher als seine ehemaligen Isis-Kumpanen.“ hieß es an anderer Stelle erst zum den Einstand des damals noch nominellen amerikanisch-kanadischen Duos feiernden Jahresabschluss. Wo sich am dort prophezeiten Conclusio wenige Monate später nichts geändert hat, machen Sumac mit What One Becomes jedoch innerhalb weniger Augenblicke klar, dass sie wohl genau den umgekehrten Weg gewählt haben, um zum Ziel kommen zu werden. „Much of it has to do with questioning fabricated structures of identity and what it means when those structures are destabilized by contact with the outside.(…)Another facet of experience I’m working to convey is about living with the sustained presence of anxiety, and avoiding reliance on musical devices of cathartic release to provide escape from this condition.“ erklärt Turner das nun zugrunde liegende Konzept. What One Becomes befreit sich mit diesem noch deutlicher von konventionellen Schemen, fasert aus, kippt ätzend in die rücksichtslos aus dem Jam geborenen Extreme, und ist mehr noch als sein Vorgänger ein räudiger Reißwolf zwischen den Grauzonen der Genres, der konventionelles Songwriting im Keim erstickt.
Sumac’s Zweitwerk beginnt dort, wo andere Bands ihre Exzesse mit scheinbar unkontrollierter Bestialität bereits enden lassen. Im ausufernden Feedbacklärm eines auslaugenden Chaos. Bei wahllos übereinander herfallenden Instrumenten, hinter denen Turner im Staub sterbend röchelt, brüllt und infernale Growls ausstößt. Bei einer berstend dissonant angeschlagenen, ausgemergelt und zum zerreißen gespannten Gitarre. Magengeschwürtiefen Bassläufen und beckenschlagenden Drumsalven, einem nach finalen Liveset anmutenden Crescendo aus wüsten Drumssalven und exponierten Beckenschlägen. Ein Inferno also, das keine Luft zum Atmen lässt, mitten drinnen im Sturm begrüßt, Orientierungspunkte einreißt, irritiert, und damit den Charakter von What One Becomes adäquat vorweg nimmt.
Viel entgegenkommender wird das mittlerweile bei Thrill Jockey untergekommene Trio aus (ehemaligen) Mitgliedern von Isis, Baptists und Russian Circles nämlich in weiterer Folge nicht mehr. Alleine die restliche Distanz des Openers holt noch weiter aus. Nach 3 unbarmherzigen Minuten wird der Malstrom plötzlich auf Null gesetzt. Das ist kein Gitarrensolo, das Turner da auskotzt, sondern ein Ausweiden und Anlaufnehmen, bis das Trio erkennbare Strukturen zu entwickeln beginnt und diese über die folgenden 7 Minuten von allen Seiten bearbeitet, dem Songkonstrukt die Haut von Leibe schält, und ein monotones Bearbeiten der Saiten wie eine qualvoll langsame Peinigung inszeniert, in der Ausnahmedrummer Yacyshyn über seine beiden Kumpanen herfällt.
Über 5 Songs oder 59 Minuten entwickelt sich What One Becomes so zum Klanggemälde der Schreckensherrschaft eines Despoten mit tiefschwarzem Herz. Einer Abwärtsspirale, die keinen Optimismus kennt. Bösartiger als Sumac klingt aktuell kaum eine Band da draußen, wenn Rigid Man wie das schwerfällige Wälzen von Schleifpapier durch die klaffende Wunde funktioniert, die das Ende von Isis immer noch ist, bevor das Trio um Turner die Szenarie mit hirnwütig ins Feedback stierenden Shoegaze-Exzess lackiert, einmal mehr ihre tollwütige Unberechenbarkeit exerziert. Zur Mitte des Songs revidiert die Band, starrt in die Weiten eines finsteren Ambient, nur um auf die letzten Meter den Lagerkoller zu bekommen und wie von der Tarantel gestochen abzugehen.
In Clutch of Oblivion verfallen Sumac dagegen in einen meditativen Groove mit psychedelischer schimmernden Überbau und bauen darauf eine unruhig brodelnden Kampfzone, die mit progressiven Wahnsinn an der Dynamik dreht, den Song zu einem Wechselbalg aus hypnotisierendem Atmosphärenebel und brutalen Noise-Attacken mutieren lässt. Das spartanische Blackout klingt dafür so roh, als wäre es in der Kälte einer menschenfeindlichen Wüste eingespielt worden, nicht in Phil Elverum The Unknown-Studio, öffnet dabei assoziativ jedoch eine enorm beeindruckende Weite. Man saugt zu diesem Zeitpunkt bereits jede noch so flüchtige Ahnung der postrockig zum Western schielenden Melodieanflüge auf, die irgendwann freilich ohnedies von der koordinativ schwindlig spielenden Masse aus stakkatohaft kommenden Blastbeats und skelettierten Riffkaskaden begraben wird.
Dass Sumac auf ihren mit What One Becomes besiegelten Kakophonie-Deal nach diesem überragenden Herzstück in der durch die großartige Bandchemie bis hin zu atemberaubenden Blastbeat-Spitzen mäandernden Großtat Will to Reach vor allem triumphale Ergebnisverwaltung betreiben, intensiviert die Erfahrung dieses instinktiv bis zur Zerschossenheit in neue Tiefen der Heavyness vordringenden Radikalkurses dennoch weiter. Ob Turner, Cook und Yacyshyn dabei allerdings wirklich die Erschaffung neuer Meisterwerke vor Augen hatten, ist mittlerweile eher fragwürdig. Viel eher scheinen sie sich selbst auf möglichst bedingungslose Art und Weise selbst geißeln zu wollen. Und damit quasi nebenbei gleich ihr ureigenes Genre anzubrauen.
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