Sumac – The Healer
Mit inzwischen ebenso vielen veröffentlichten regulären Studioalben im selben Zeitraum über Anzahl fühlt sich die Evolution von Sumac immer ein wenig wie die Antithese zu jener von Isis an. The Healer wirkt für diese These paradoxerweise wie Bekräftigung und ein Entgegenwirken.
War die Entwicklung von Celestial bis In the Absence of Truth im weitesten Sinne eine, die den Post Metal von Isis mitunter auch zu einer melodiöseren Verdaulichkeit führte, scheinen Sumac beständig daran zu arbeiten, diesen Weg umgekehrt proportional zu dekonstruieren. Was Aaron Turner, Nick Yacyshyn und Brian Cook längst jenseits klar strukturierter Formen an roh und abrasivem Morast hervorwürgen, wollte schließlich immer mehr eine experimentelle Herausforderung und Erfahrung sein, in die man sich instinktiv fallen lassen muss, um wertzuschätzen, dass das Trio sich knapp ein Jahrzehnt nach dem Einstand The Deal (und einer Bekanntschaft mit dem synapsensprengenden Keiji Haino später) kohärentes Songwriting weitestgehend hinter sich gelassen hat und die widerspenstige Improvisation zum Dogma erhoben haben.
Diese Umstand zelebriert The Healer in einer molochartigen Albumklammer, die über zwei Klanglandschaften und knapp 50 Minuten gespannt wurde, mit beharrlicher Konsequenz absolut exzessiv – nur um im Mittelteil eine relative straighte Kompaktheit an den Tag zu legen, wie man sie schon lange nicht mehr von Sumac destilliert bekommen hat. Und irgendwie spiegelt The Healer damit auch durchaus Wavering Radiant in seiner Funktion als Zusammenfassung der jeweiligen (bisherigen) Bandgeschichte.
World of Light ist ein sich selbst verzehrender Einstieg in dieses Fünftwerk und dabei gerade eingangs die bestmögliche Khanate-Verneigung in einer Welt, die To Be Cruel ertragen darf. Die Band führt die losen Fäden spontan artikulierter Schlagzeug-Salven rudimentär zusammen, reibt sich harsch am schabenden Bass und dissonant kratzenden Noise-Gitarren auf. Eine Geduldsprobe für die Avantgarde im Drone-Schwangeren Sludge Metal Atmosphäre. Irgendwann brüllt Turner wüst keifend, heult sogar kehlig, wie man ihn bisher noch nicht gehört hat. Sumac schleppen sich kasteiend und heroisch jenseits griffiger Post Metal-Kaskaden, tragisch und verzweifelt, brutzeln wie abstrakte Erinnerungen an den Doom alter Pallbearer. Eine Einkehr und Melancholie am komplett entschleunigten ambienten Postrock wiegt nur kurz in Sicherheit: Justament, wenn die Band Erlösung in dem tonalen Ungetüm gefunden zu haben scheint, wälzt sich Nummer weiter, verrenkt sich aufbäumend und versucht seinem inneren Gerangel der Dämonen letztendlich mit einem tackernden Anfall manischer Geschwindigkeit punkig zu entkommen – selbstreferentielle Verweise in der Hatz inklusive. Ein erlösender Befreiungsschlag gelingt, befriedigender war selten ein Klimax der Band.
Dass sich eine 26 minütige Odyssee in den Kaninchenbau derart spannend und jederzeit fesselnd gestaltet, ist auch dem Umstand geschuldet, dass Sumac sich mittlerweile rücksichtslos ergiebig in die Kurven ihrer Nische legen, das Spaltmaterial ihrer Veranlagung mit einer schonungslosen, aber effektiven Selbstverständlichkeit abschöpfen. Es entsteht kein Gefühl des ziellosen Mäanderns, auch wenn oft nur ein vages Gefühl in der übergeordneten Stimmung den Gegenwert zu einer richtigen Komposition darstellt – und Sumac wiegen diesen Umstand mit einer regelrecht meditativen Transzendenz auf, der ihren animalischen, altruistischen und fatalistischen Metal umgibt.
Am anderen Ende der Platte gelingt dies dann auch The Stone’s Turn, indem eine Lauerstellung als von der Tarantel gestochener Psychose explodiert, als Kakophonie und martialische Askese voller aggressiv geißelnder Reizhandlungen, die den Büßergang durchhaltend in die nachdenkliche Elegie abgleitet: der Weg mag das Ziel sein, doch wird er nicht aus prätentiösem Selbstzwecks beschritten.
Ein Eindruck, der durch den in Relation absolut kompakt gehaltenen Albumkern destilliert wird, wo das Material in unter einer Viertelstunde Spielzeit zum Punkt findet. Yellow Dawn beginnt im mystischem Okkultismus mit Orgel und Percussion, kontemplativ und psychedelisch ruhig, planiert dann allerdings erstaunlich direkt angelegt über unwegsames Gelände. Zieht ungeachtet aller Widrigkeiten nach vorne, groovt am fauchenden Schlund der heulenden Gitarre, wirbelt stoisch kratzbürstigen Staub auf und ist trotz einer finalen Pirouette eine der zugänglichsten Abrissbirnen der bisherigen Sumac-Geschichte.
New Rites mag zerfahrer und sperriger angelegt sein, rollt jedoch martialisch gegen den Strich gebürstet als konkretes Ungetüm mit monströser Wucht, schwurbelt sich extatisch zerstört auf und bändigt das Chaos mit totaler technischer Kontrolle als fragmentarisch ineinander verflochtene Collage in Segmenten, die traurig ausbluten und The Healer trotz seiner Extreme zu einem runden Ganzen machen, mehr noch: einem Werk der inneren Mitte und Balance. Ein bisschen sind Sumac mittlerweile angekommen – was auch immer das für die Band bedeuten mag.
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