Sumac – St Vitus 09/07/2018
Daher Sumac-Alben ja gerne auch wie verdammt gut destillierte Rechtfertigungen anmuten, um das Material auf der Bühne noch wuchernder wachsen zu lassen, ist ein mutmaßlich willkürlich zum Bandcamp-Friday hinausgeschossenes Livealbum wie St Vitus 09/07/2018 freilich eine feine Idee.
Gerade in Konzert-abstinenten Corona-Zeiten liefert der vor zwei Jahren in Brooklyn aufgenommene, von verdammt fähigen Händen (nämlich: „Recorded by Greg Moss with Frank Huang, mixed by Kurt Ballou and mastered by James Plotkin“) aufbereitete Mitschnitt eine zwingende Erinnerung daran, was für ein verschlingender Organismus die Allstar-Truppe Sumac doch ist. Zumal das Tondokument als Methadonprogramm für derzeit ausfallende reale Tourbesuche sowie eine Aufnahme in die digitale Sammlung auch genügend essentielle Abweichungen von den bekannten Studioversionen zu bieten hat, wenn St Vitus 09/07/2018 jeweils zwei Songs der Alben What One Becomes (2016) und Love in Shadow (2018) interpretiert.
Attis‘ Blade rumort nach vorne gehend, wird irgendwann exzessiv von der Leine gelassen und darf als hirnwüriger Jam liebäugeln, bevor sich der unmittelbare Einstieg mal um 180 Grad in die kontemplativ verspulte Ruhe zurückzieht, dann dort wieder aufs neue in der noise-affin aufgeriebenen Improvisation eskaliert, die Kakophonie mit dem weißen in den Augen und Schaum vorm Mund reizt. Die Rhythmusarbeit (und davon gerade die Drums) seitens Brian Cook sowie Nick Yacyshyn ist so morastartig zäh wie agil und virtuos; die Gitarren zirkeln zwischen zum zerreißen gespannten Rissquetschwunden und massiven Riffkaskade, Turner bellt dazu wie eine rohe Urgewalt.
Rigid Man verordnet sich dagegen verhältnismäßig gar selbst die stoische Handbremse und lässt seine Motive genüsslich ausbluten, wächst mit seiner spannungsgeladen brodelnden Dynamik aber entlang weiterführender Texturen und wandernden instrumentaler Passagen zur dystopischen Machtdemonstration, die hinten raus vor einem letzten Aufbegehren lange ausatmet (und mit dem stimmungsvoll angehängten Interlude I keinen Bruch erfährt).
Dennoch fällt auf, dass Sumac die Songs trotz aller Freizügigkeit um das Quäntchen strenger spielen, als auf Platte. Symptomatisch dafür ist die Spielzeit der Nummern hier nahezu stets kompakter, als in der Studioversion – nur das abschließende Image of Control gönnt sich mehr Raum: Zerfahren heult Turner dort erst beschwörend gegen eine eruptive Klangwand, die sich wie ein diffuser Organismus gegen den Strich windet, Fäden immer wieder neu aufnimmt und die Zügel garstig anspannt, bevor die Drums die motorische Kraut-Sludge-Maschinenrepetition der Finales fast zu fressen scheint.
So überragend die zweite Hälfte des Sets rund um das mit dissonanten Störgeräuschen gefütterte Interlude II jedoch ganz allgemein geraten ist, so sehr steht The Task als Herzstück und Höhepunkt über allem: Da zucken Zuckt Sumac förmlich vor elektrifizierender Spielfreude und bestialischer Energie, kreieren einen irren Druck. Turner bricht stimmlich zudem phasenweise geradezu hirnwürig hysterisch kreischend aus seinem guttural gröhlenden Höhlenmensch-Fauchen, während das Trio im Kontrast in einen umso schleppenderen Groove verfällt. So lauern Sumac lange, holen orgelnde Erinnerungen von Faith Coloccia vom Band und reiben sich avantgardistisch auf, als würde die Band sich die Score-Flächen einer Ambient-Landschaft einverleiben.
Am Ende gibt es noch eine knappe Ansprache im ansonsten interaktionsfreien und relativ publikumsreduziert aufgenommenen Sound, der Sumac als ebenso instinktiven wie akribischen Organismus letztendlich zusätzlich über die Dinge hebt – und den Eindruck verdichtet, dass diese Band wohl wirklich das beste ist, was einer Welt nach Isis passieren konnte.
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