Sugar Horse – The Grand Scheme of Things
War das 2021er-Debütalbum The Live Long After ein Schmelztiegel der unbändigen Natur von Sugar Horse, legt das britische Quartett dem Nachfolger The Grand Scheme of Things nun mutwillig ein Korsett an. Mit suboptimalen Auswirkungen.
„This album was intended to be a sideways step. A move away from the kind of thing that is expected of us… if anything is at all. What I mean by that, is the songs are more direct. They take a much shorter amount of time to “get to the point”. We also wanted to make this one noticeably “less Metal”. While we love being a bit boneheaded and confrontational, we definitely wanted to explore the more melodic, song-based side of the band’s sound. (….) That felt like more of a songwriting challenge than anything else to be honest. We’ve done the whole drawn out, endless Space Rock thing a good few times now and it would’ve been easy to rest on those laurels. Do something we’re comfortable with. Alas, that is not really the point of this band. We’d much prefer to make it difficult and take the long route.„
Dieser Entschluss zur relativieren Limitierung erklärt die erste Viertelstunde von The Grand Scheme of Things, die sich über den eröffnenden Titelsong, The Shape of ASMR to Come (in dem der malmende Bass etwas mehr Drive unter das Geschehen bringt und die Rhythmussektion wie ein Raupenfahrzeug klingen lässt) und Corpsing: Diese drei strukturell gleich gestrickten Songs beginnen ruhig und sphärisch geduldig, haben einen sehnsüchtigen Klargesang und wachsen im Verlauf zwischen Shoegaze und Post-Spacerock, zwischen Hum, Oceansize und Isis, zu einer erlösend stellaren Größe und episch ausgebreiteten Final-Szenen.
Diese konventionellere, leichter verdauliche und regelrecht zugängliche Ausrichtung steht Sugar Horse, die Geradliniegkeit addiert zugängliche Facetten. Allerdings vermisst man mehr noch die Unberechenbarkeit und Intensität, die Reibung der Gegensätze und jene freie Radikale im Songwriting, die die Band bisher – und am besten entlang ihrer sporadisch auftauchenden Kurzformate – immer mitdefinierte.
Vielleicht ist dies Sugar Horse selbst auch bewusst. Denn die eingangs formulierten Dogmen wirft The Grand Scheme of Things nach dem ersten Drittel für die restliche Spielzeit zwar vielleicht nicht über Bord, man weicht die Strenge der Reglements aber merklich auf.
Mulletproof löst seine Konturen so wie ein Ambient-Interlude im verwaschenen Hall, nur um umso unvermittelter als wild brüllender, um sich schlagender Post Metal-Berserker mit dem Hang zum Doom aufzuplatzen. Womit sich die Amplituden der Platte verschoben haben. Spit Beach pendelt zwischen den Grenzen aus Laut und Leise oder Hart und Zart wie das zweite Aereogramme-Album (auch wenn Sugar Horse ihr Potential noch immer nicht derart maßgeblich umsetzen, wie die Schotten es zeitlebens taten) um stoisch in der Heaviness zu walzen. Office Job Simulator tut es ihm später gleich, agiert aber flehender und fletscht die Zähne fieser – inklusive einer bittersüß streichelnden Emo-Kontemplation und kakophonischer Attacke am Ende (das leider etwas zu abrupt abgeblendet wird).
New Dead Elvis klingt, als hätten Cult of Luna einen Alternative Rock-Song zu schreiben versucht und Jefferson Aeroplane Over the Sea ist ein strahlender Klang-Dom, der die Rückkehr von The Cure in gleißendem Licht erhaben vorwegnimmt, samt schemenhaft feierndem Chor als Klimax – der nichts verabschiedet. Stattdessen schließt Space Tourist den Kreis, indem es erst den Bogen zurück zum Beginn von The Grand Scheme of Things spannt, wo Biffy Clyro nach ihren ersten drei Alben zum Doomgaze abgebogen wären, um dann 20 Minuten vollends in eine Space Ambient-Meditation abzutauchen. Dass die Texturen des Drones wenig vielschichtig in die Tiefe gehend phrasieren, schmälert den hypnotischen Effekt dieses eher theoretisch als praktisch überzeugenden Appendix nur minimal.
Dennoch bleibt danach ein etwas unterwältigender Gedamteindruck zurück. Zu oft scheinen Sugar Horse ihre eigentlichen Stärken und Dynamiken zu verhalten in den Dienst der selbst auferlegten Doktrinen zu stellen, weswegen die Band nicht dieselben hymnischen und aggressiven Höhen erzwingt, die man von Sugar Horse gewohnt ist. Von einer Enttäuschung zu sprechen ist aber relativ zu verstehen: Die Ansprüche an Ashley Tubb (Vocals/Guitar), Jake Healy (Baritone Guitar, Keyboards), Chris Howarth (Bass) und Martin Savage (Drums) sind mittlerweile eben verdientermaßen einfach ziemlich hoch.
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