Sufjan Stevens, Nico Muhly, Bryce Dessner & James McAlister – Planetarium
Lange hat es gedauert, bis das aus Sufjan Stevens, Klassik-Arrangeur Nico Muhly, Teilzeit-Klassik-Komponist und The National-Gitarrist Bryce Dessner sowie Neo-Drummer James McAlister bestehende Quartett sein Konzeptwerk über unser Sonensystem auf Tonträger gebannt hat.
Der Urknall von Planetarium lässt sich nämlich bereits 2011 finden: Muhly übernahm eine Auftragsarbeit vom Konzerthaus Muziekgebouw Eindhoven und holte dafür Musikerkollegen an Bord, die sich von megalomanischen Konzepten ebenso wenig abschrecken ließen, wie von theoretischen Grenzen zwischen Klassik, Avantgarde und Pop. Nach einer ambitioniert inszenierten Tour 2012 war jedoch vorerst Funkstille eingekehrt – immerhin waren alle Beteiligten mit ihren jeweiligen Stammbands und zahlreichen sonstigen Projekten gut ausgelastet.
Knappe fünf Jahre später hat das Kollektiv nun doch noch die Zeit gefunden, an ihrem Songzyklus zu feilen, ihn zu erweitern und auf satte 17 Exkursionen über 75 Minuten auszudehnen, die mit eleganter Grandezza durch die Spannweite von fragilem Electropop und mediativem Ambient treiben.
In den schier endlosen Weiten dieses Unterfangen sind die vier Ausnahmemusiker immer dann am besten, wenn sie noch am ehesten an nahbares Songwriting angelehnte Muster finden. Neptune zieht etwa zuerst reduziert auf Klavier und Stevens‚ Zauberstimme in eine zutiefst intime Atmosphäre, bevor dessen Mitstreiter die Ouvertüre mit märchenhaften Streichern zur Opulenz ziehen. Venus ist traumhaft unkonkreter Space Pop mit erhabenen Streicher-Arrangements zum Niederknien, der Zwergplanet Pluto so überwältigend schön, als hätte Guillermo Del Toro einen Science Fiction Film gedreht. Moon ist eine friedfertig betörende Spieluhr und Earth ein knapp fünfzehnminütiges klerikales Stückwerk, das stellvertretend für eine gewisse Ambivalenz der Platte steht.
Mit den Vocoder-Verfremdungen im erhebenden elektronischen Age of Adz-Gospel von Jupiter muss man etwa leben, immerhin greift Stevens immer wieder zu dem polarisierenden Hilfsmittel: In Mars wird seine Stimme gar bis zur Unkenntlichkeit verfremdet, während die Arrangements beinahe bedrohlich martialisch anschwellen, der Song für diese Entscheidung aber entlohnt, wenn er sich immer weiter seinem majestätischen Finale entgegenstemmt – im nach und nach auf die Tanzfläche findenden Saturn zerren die Effekte hingegen primär an den Nerven.
Überhaupt ist Planetarium eine Gratwanderung zwischen erzeugter Tiefe, in deren hypnotisch gelöster Weite man fantastische Melodien, soviel Schönheit und Anmut findet – aber eben auch zuviel leere Distanz. Immer wieder verlieren sich Stevens, Dessner, McAllister und Muhly in ihrem Klangkosmos aus meisterhaft dynamischen Orchesterszenen, postrockig perlenden Gitarrenminiaturen, klickernd-klackernden Beats, fiepender Elektronik, mystischen Score-Elementen, Stimmeffekten, epochalen Bläsern, und perkussiv angetauchten Welten, mäandern und suchen ohne Ziel, vertändeln sich in einer enervierenden Nabelschau.
Wo stimmungsvolle Atmosphärenebel wie Black Energy, Sun oder Tides dem Konzept hinter den Kompositionen sicherlich absolut dienlich sind – und man sich im besten Fall auch nur zu leicht in die dadurch erzeugten Sphären fallen lassen kann- , gönnt sich Planetarium dann eben doch zahlreiche Szenen, die gerade bei wiederholtem Konsum über kaum aufgebrachte Spannungsmomente langweilen, anstatt restlos zu bezaubern. Auf Durchzug schaltend durch das Sonnensystem zu treiben kommt insofern einer Verschwendung des vorhandenen Potentials und der immer wieder atemberaubend aufzeigenden Ressourcen gleich.
So paradox es deswegen vielleicht auch grundsätzlichsein mag, fehlt Planetarium der Fokus, um sich diese Reise regelmäßig anzutun. Die Möglichkeit dabei aber doch immer wieder neue Facetten und Details entdecken zu können, lässt das Konzeptwerk jedoch faszinierend im Hinterkopf funkeln.
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