Sufjan Stevens – Lamentations

von am 19. April 2021 in Album

Sufjan Stevens – Lamentations

The Five Stages of Grieve als instrumentale Ambient-Odyssee: Lamentations ist der zweite Part der letztendlich 49 Songs umfassend werdenden, fünfteiligen Albenserie Convocations, auf der Sufjan Stevens den Tod seines leiblichen Vaters musikalisch verarbeitet.

Ohne Verbindung zum gleichnamigen Song von The Ascension holt sich Lamentations seinen Titel mit alttestamentarischer Referenz und setzt den Weg der rein instrumentalen Keyboardlandschaften von Meditations fort. Und zwar auf eine an sich durchaus interessanter konzipierte Weise, indem Stevens die Klangwelten glitchender und progressiver anlegt, die minimalistischen Sounds diffuser mit chaotischen Tendenzen im beunruhigenderen Subtext ausstattet, die beschwichtigende Gangart mit abseitigeren Nuancen liebäugeln lässt – dies alles aber auf Kosten des bisher so runden Ganzen tut: Lamentations wirkt abernteuerlustiger und zerfahrener, ambitionierter und auch mehr auf Autopilot laufend, als sein konzeptionelles Vorgängersegment.

Vor allem die Kontraste zwischen einlullender Verträumtheit und latent dissonanter wirkenden Passagen werden dabei nicht erst relevant, wenn Lamentation IX sich von der wellenförmigen Nacht zum friedlichen Tagesbeginn wandelt und Lamentation X dort ebenso melancholisch plätschernd übernehmend unaufgeregt zu friedlichen Streichern findet, wie eine weiche Fantasie von Bohren & der Club of Gore anmutend. Immerhin spannt dies zwar auch den Bogen zum Beginn der Platte, wenn Lamentation I wie eine kindermelodiöse Kid A-Spieluhr leicht neben der Spur halluzinierend in Zeitlupe vergänglich sinnierend vergeht, aber bereits Lamentation II ein bisschen hektischer flimmernd die Auslagen switchend neben der Spur läuft, um sich zu beruhigen.
Lamentation VII reiht so etwa die Symbiose von neon-sakraler Synergie aus drängelnder Eile und kontemplativer Nachdenklichkeit mit orchestraler Tendenzen aneinander, Lavemtation VIII entwickelt sich von sinister-abgedämpft schiebenden Thom Yorke‘schen Muster mit sphärischen Arrangements typischer Stevens-Prägung zu einer beinahe Reznor‘esken Dystopie.

Es ist jedoch gar nicht unbedingt diese Dualität, die Lamentations zerfahren und inkonsistent wirken lässt, sondern paradoxerweise der gefühlt kompositorisch weniger wandelbare, immer nach dem selben Muster agierende Mittelteil der Platte, der sich nach den friedlich schiebenden Synthieflächen von Part III über die Segmente IV bis VI erstreckt. Lamentations agiert hier mystisch schillernd entlang einer trippigen Willkür, wenn Loops rauf und runter, nach links und rechts oszillierende Röhren beleuchten, sich genormte Sequenzen zum Lavalampen-Schimmer modulieren und als Fahrstuhlmusik in delirante Abgründe führen – als würde man wiederholend-programmierte Sequenzen nur entlang minimaler Einstellungsmodifizierungen phasenverschieben, spontane Knöpfchendrehungen wie im Jam die Farbnuancen ändern, der kreative Prozess aber in der Ausführung jedcoh relativ unspannend ist.
Das wirkt verspielt, aber eben auch wie zufällig passierend, keinen wirklichen Plan abseits der grundlegenden Intention folgend – und der Blick auf das große Ganze als Teilstück des Gesamtwerkes Convocations ist es dann auch, der Lamentations zwar an sich spannender in den Bausteinen und der Intention, aber weniger erfüllend im Endergebnis macht, als Meditations.

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