Sturgill Simpson – Cuttin Grass – Vol. 2: The Cowboy Arms Sessions

von am 12. Dezember 2020 in Album

Sturgill Simpson – Cuttin Grass – Vol. 2: The Cowboy Arms Sessions

Knapp drei Wochen vor Jahreswechsel liefert Sturgill Simpson das zweite versprochene Bluegrass-Album noch innerhalb der Frist, entscheidet sich aber (noch deutlicher abermals) für die Kür anstelle der Pflicht: Cuttin‘ Grass – Vol. 2: Cowboy Arms Sessions überholt die zwei Monate alten Butcher Shoppe Sessions sogar in einigen Punkten.

Mit zwölf Songs in 40 Minuten kommt der zweite Part der Charity-indizierten Bluegrass-Reihe deutlich fokussierter und zwingender ausgelegt daher, wenn Dick Daddy mit seinen absolut grandios eingespeisten Hillbilly Avengers (Stuart Duncan, Mike Bub, Sierra Hull, Scott Vestal, Tim O’Brien und Mark Howard) im Rücken ohnedies bereit ist, dorthin zu gehen, wo es auch wehtut: „On Volume 2, we recorded everything I was too afraid to do on Volume 1… It’s hard to deny that this is a much more personal record. I was thinking about my kids, my grandfather, my wife“ sagt Simpson und meint damit weiterhin kein Material von Sound & Fury – was schon Sinn macht, aber dennoch schade ist – sondern persönliche Herzensangelegenheiten.
Oh Sarah nähert sich als ebenso flotte wie verträumt-romantisch bleibende Liebeserklärung an Sturgills Gattin den Uptempo-Ursprüngen der Sunday Valley-Wurzeln an, zeigt aber gesanglich eine unaufgeregte Gangart wie nie zuvor. Hero erinnert sich ebenso melancholisch an den verstorbenen Großvater und das unendlich großartige Welcome to Earth (Pollywog) reduziert den ursprünglich orchestralen Einstieg auf eine von der Fidel begleitetes Sinnieren ohne Bombast oder Pathos auf der Veranda – der Twist wird sentimental unterwandert von der Leine gelassen und steigert sich jedoch gelassen bis in den vogelfreien, instrumental strahlenden Jam.

Sogar das von Simpson so verhasste You Can Have the Crown wird mit inhaltlichen Adaptionen und Blazing Saddles-Reminiszenz aus der Pension geholt. Aus dem ursprünglichen „So Lord if I could just get me a record deal/ I might not have to worry about my next meal/ But I’ll still be trying to figure out what the hell rhymes with Bronco“ wird nun „And oh, Lord, I finally got out of my record deal/ And now these bluegrass tunes is buying all my meals/ And we’re all just pawns in the game of life like Mongo“. Ein weiterer Beweis dafür, dass Simpson sich nicht nur in der Komfortzone ausruht, auch den Geistern der Vergangenheit stellt.
Insofern zeigt auch das Finale der Platte auf: Das sanft plätschernde und zärtliche Tennessee ist ein bisher unveröffentlichter Song aus dem Fundus von Sunday Valley, der hier erstmals überhaupt aufgenommen wurde, was so auch für den Closer Hobo Cartoon gilt: Nachdenklich auf der Gitarre intoniert und von zurückhaltenden Arrangements begleitet, versucht Sturgill hier (Co-Songwriter) Merle Haggard mit einem nostalgischen Original einen würdigen Abschied zu bereiten. Die beiden bisher offenen Kapitel werden erhaben geschlossen.

Etwas undankbar zwischen diesen Songs platziert fällt der mehr als nur solide Standard Some Days zwangsläufig ab, drückt das starke Niveau der Platte allerdings keinesfalls.
Spektakulärer ist dennoch, wenn das funkensprühende Call to Arms vor Spielfreude und Tempo kaum zu bremsen einsteigt, mit der virtuosen Abfahrt gleich zu Beginn Kinnladen hinabkippen lässt, und den Schwung geschmeidig auf das weiterhin ein bisschen weise bleibende Brace for Impact (Live a Little) überträgt. Ausgerechnet Sea Stories beruhigt nach der rasanten Phase zu Beginn den Spielfluss und agiert flott, aber entspannter.
Jesus Boogie besticht vor allem mit seinen entschleunigten, nahbaren Einstieg samt beseelten Backingchor (der Rest der Nummer folgt dem gängigen MO der Platte – sehr gut, aber auch überraschungsarm), bevor Keep It Between the Lines mit sparsamen Drums einen funky Groove erzeugt, der auch als Ansage an Puristen zu verstehen ist, die Wahl aber selbst ihnen einfach gestaltet: Das Bluesgrass Album trägt den Titel Cuttin‘ Grass – ob mit dem Zusatz Butcher Shoppe Sessions oder Cowboy Arms Sessions, spielt eigentlich keine Rolle.

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