Storm Corrosion – Storm Corrosion
Das Gipfeltreffen der beiden Genremeister Mikael Åkerfeldt und Steven Wilson ist das zu erwartend uferlose Progrockgewichse geworden.
Weihnachten, Geburtstag und Ostern fällt für Anhänger der unberechenbaren Opeth und der zahlreichen Steven Wilson Inkarnationen rund um das zentrale Flagschiff Porcupine Tree 2012 auf den 07. Mai. Seit der ersten Ankündigung eines geplanten gemeinsamen Projekts 2006 hatte man die Sekunden gezählt, erst recht, als das bereits fertige Album ‚Storm Corrosion‘ nach einjähriger Aufnahmephase im September 2011 für ein weiteres halbes Jahr aus marketingtechnischen Gründen in der Schublade verschwand. Freilich konnte man schon damals erahnen, wie es nun klingen würde, wenn die beiden langjährigen Brüder im Geiste auf Albumlänge abseits der langjährigen gegenseitigen Studiobesuche Musik auf die Beine stellen. Dass der einst involvierte ehemalige Dream Theater Schlagzeuger Mike Portnoy wieder aus der Gemeinschaft entfernt wurde, weil Storm Corrosion keinen Platz für exaltierte Schlagzeugparts hätten, erklärt sich anhand der versammelten Dreiviertelstunde Musik von selbst. Letztendlich bemisst Wilson die – letztendlich von Porcupine Tree Schlagzeuger Gavin Harrison – mit Rhythmen untermalte Zeit mit 20 Prozent, was sogar gr0ßzügig berechnet ist und hält ohnedies alle Versprechungen ein: ‚Storm Corrosion‚ ist der angekündigte, logische Abschluss der mit Opeths ‚Heritage‚ und Steven Wilsons letztem Soloalbum ‚Grace for Drowning‚ begonnenen Entwicklungsstufe geworden.
Der kongeniale Schulterschluss wird dominiert von Steven Wilsons weitläufigen Keyboardflächen, hymnisch ausladenden Melodie- und Spannungsbögen, die näher am streicherlastigen Score denn am virtuosen Rock von Porcupine Tree gehalten sind. Die offen gelassenen Bruchstellen kittet Åkerfeldt formvollendet ab, füllt sie mit exaltiert schwülstigem Kniddelparts und majestätischem Akustikgezupfe, entspannt und ohne jegliche Hektik. Es entsteht ein ruhiger Albumfluss, melancholisch unscheinbare Glanztaten ureigener Progmusik im King Crimson Fanshirt, die sich verträumt von Höhepunkt zu Höhepunkt hangeln, ohne konkret werden zu müssen. Wilson und Åkerfeldt wechseln sich über den ausfließenden Soundgemälden am Mikro ab, sorgen immer wieder für erhabenen Harmoniegesang über den lose zulaufenden, milimetergenau orchestrierten Konstruktionen. Das mögliche Nebeneinander der beiden Leitwölfe, es ist zu einem homogenen Miteinander geworden. Die Atmosphäre ist in seiner demonstrativen Gelassenheit stets über eine unheilvolle Düsterheit gespannt, findet seine Entladung allerdings niemals in der aggressiven Metalgangart vergangener Tage: Allumfassender Death Metal und Progressiver Rock finden auf ‚Storm Corrosion‚ keinen Platz, hier vermengen sich stattdessen konzentrierter Ambient und luftige Psychedelik mit ausgefuchstem Folk und unterschwelligen Grenzgänge der Studiovernarrtheit zu einem dichten Reigen, der sich alle Zeit der Welt nimmt und angenehm unaufdringlich aus der Schnelllebigkeit der Moderne fällt.
Von Stagnation bei einer Platte zu sprechen, die nicht einmal zwei Jahre im Leben der beiden Musiker widerspiegelt und dabei auf den Kopf gestellte Erwartungsmuster zementiert anstatt diese weiterzudrehen, wäre natürlich falsch. Das Göttertreffen, es hat per se aber auch keine wirklich mutige Platte abgeworfen, in seiner Besinnung auf die Stärken seiner beiden Macher sogar eine geradezu überraschungsarme. Es ist genau jene Art detailverliebter Mukkermusik geworden, die einem Gutteil der weniger prog-affinen Hörerwelt lange Eier beschweren wird und Anfeindungen als pseudointelektueller Kunstmist nach sich ziehen wird, beinahe zwangsläufig nach sich ziehen werden muss. Genau deswegen ist es aber auch die erträumte Wichsvorlage für all jene audiophilen Progger da draußen geworden, die Songs erst ab der fünf Minuten Marke zu zählen beginnen und nach zehn immer noch nicht gelangweilt auf die Uhr blicken. Für all jene, die sich an unzähligen feinen Facetten erfreuen können, wenn etwa im Titelsong bedeutungschwangere Gitarren das drückende Streicherpanorama lüften, wenn in ‚Lock Howl‚ die Handclaps den Song kurzzeitig gegen augepushten Flamencotanz rittern oder wenn sanfte Chöre sich unaufdringlich in das Finale der gemächlichen Gitarrenelegie ‚Ljudet Innan‚ mischen.
‚Storm Corrosion‚ schottet sich gegen Einflüsse der Außenwelt bedingungslos ab und begnügt sich über weite Strecken wahrhaftig damit, die konsequente Addition von ‚Grace for Drning‚ und ‚Heritage‚ zu sein. Schon an sich keine schlechte Sache, besticht es gerade dadurch darüber hinaus jedoch, indem es ein Entwicklungskapitel für die beiden seelenverwandten Musiker hingebungsvoll und fulminant beschließt und in seiner Konsequenz einen weiteren Höhepunkt der Schaffenskraft erschließt, neu gezogene Grenzen nachhaltig markiert. Zwischen selbstverliebt und zweckdienlich verläuft hier deswegen ein schmaler Grad. Es ist die eventuell herausragendste Leistung von Wilson und Åkerfeldt, dass sie Storm Corrosion in nahezu traumwandlerischer Sicherheit auf dieser wandeln lassen, ohne selbstgefällig ein reines Schaulaufen ihrer Möglichkeiten zu zelebrieren. Sie erschaffen stattdessen einen süchtig machenden Monolith von zeitloser Schönheit.
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