Steven Wilson – The Future Bites
Steven Wilson widmet sich auf The Future Bites dem unkomplizierten, zugänglichen, leicht verdaulichen Pop. Das mag Puristen auf die Palme bringen – ist aber mit ein bisschen Abstand einfach nur ernüchternd okay.
Nach entsprechend gesähten Ansätzen auf Hand. Cannot. Erase. und To the Bone ist es neben seiner Rückkehr in eine tragendere Rolle bei Blackfield eine keineswegs überraschende, sondern sogar durchaus nachvollziehbare Entwicklung, die Wilson für sein sechstes Studioalbum The Future Bites vollzieht: Der Prog und der Rock sind in weite Ferne gerückt, spielen wenn überhaupt nur noch aus produktionstechnischer Sicht eine Rolle, während nach der I’m Not in Love-assimilierenden Intro-Skizze Unself der Elektro- und Synthpop das Ruder übernehmen, die Referenzen im supersterilen, makellosen Sound eher von Depeche Mode bis Moby gezogen werden wollen. Songs wie das mit funky Licks liebäugelnde Self oder das ätherischer verträumte, dunkel-funkelnde New Age-Stück King Ghost pflegen einen 80er-affinen Retrofuturismus mit fistelnd-aufzeigenden Refrains.
Ein Man of the People – und mehr noch die schöne, aber sich entschleunigt dem erhebenden Klimax entziehende Space-Ballade Count of Unease – wird diese aufgeräumt pluckernde Formel mit mäandernder Kontemplation weiter in den gefälligen Ambient verschieben und die Anmut der Platte ebenso schöngeistig ausmalen, wie mit einer latenten Unverbindlichkeit füllen, während das griffigeres Follower auch mit knackigeren Konturen nicht vollends der Belanglosigkeit entkommt.
Das liegt subjektiv daran, dass The Future Bites Pop ist, der nicht mit dem Bauch, sondern ausnahmslos dem Kopf geschrieben wurde, und deswegen nie die instinktive Ebene erreicht. Die smarten Melodien und Arrangements funktionieren, aber sie zünden auf emotionaler Ebene kaum; die perfekt geplanten und professionellst in Szene gesetzte Hooks holen ab, bleiben jedoch wie seelenarme Projektionsflächen mit pseudo-geistreichen Texten egal. Elemente wie etwa auch mal spontane, sich gehen lassende Entscheidungen zu treffen oder etwaige andere Risiken einzugehen fehlen einem einfach keine Spannungen erzeugenden Produkt vollends.
Sinnbildlich dafür sind alleine schon die immer wieder, am markantesten aber wohl in Personal Shopper (das neben seinem Disco-Drive auch einen rezitierenden Elton John beherbergt) auftauchenden Backgroundsängerinnen, die wohl ein souliges Feuer samt ausgelassener Leidenschaft simulieren sollen, dies aber wie ein betont überkandidelt die Stimmung antreibender Showact aus dem Baukasten tun. Schwer vorstellbar jedenfalls, wie Wilson auf der kommenden Tour zum pandemiebedingt lange hinausgezögerten Album während dieser hemmungsloser agierenden Passagen jenseits des hüftsteif durchkonzipierten Perfektionismus abgehen wird.
Was jetzt alles negativer klingen mag, als The Future Bites tatsächlich ist – ganz grundlegend ist es überhaupt eine tolle Sache , dass sich Wilson stilistisch nicht auf seine von vielen Fans offenbar verlangte Komfortzone des Prog-Meisters beschränken will…dass er dies derzeit als Mainstream-Voyeur im frustrierenden Mittelmaß tut, ist freilich eine andere Geschichte.
Nein, das sechste Solowerk des Briten ist an sich schon ein gutes Album, kompetent und nicht unangenehm zu hören. Es ist allerdings mutmaßlich auch eines, das hinter der offenkundigen Agenda kompositorisch wenig tatsächlich Mehrwert besitzen könnte und das seine gegebenen Reize so mit geringer Halbwertszeit aufwiegen dürfte. Abseits der Ästhetik bleibt schließlich vor allem die Ambivalenz der beiden am eklatantesten aus dem Albumfluß hervorstechenden Momente hängen.
Zum einen, wenn Wilson in Eminent Sleaze einen auf sexy Prince machen will, letztendlich aber eben nur die Oberfläche bearbeitend wie ein bemühtes Muse-Imitat klingt. Und zum anderen ist da 12 Things I Forgot, das so unbeschwert locker und luftig fast schon kitschig den glücklichen Ohrwurm mit leichtgängig eingesetzten, hippiesken Harmoniegesängen bietet – in seiner süßlichen Unkompliziertheit aber auch ausnahmsweise einfach nur Spaß macht.
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