Steve Von Till – A Life Unto Itself
Steve von Till bleibt auf ‚A Life Unto Itself‚ der naturverbundene Folkbarde, dessen Songs eine vorzeitliche Mystik anhand einer erhabenen, zurückgenommenen Tiefe beschwören. Auf seinem vierten Soloalbum öffnet der Harvestman und Neurosis-Kopf seine archaischen Kompositionen allerdings auch deutlicher denn je erweiternden Einflüssen.
Mit Eyvind Kang, J. Kardong und Pat Schowe auf der Gästeliste lässt Steve von Till durch ‚In Your Wings‚ oder den Titelsong nun etwa leise Ahnungen von Fidel und Pedal Steel wehen. Wie geisterhafte Erinnerungen schwelgen sie sich an die Songgerippe, die Atmosphäre bleibt ungefähr dort haften, wo man von der halbverfallenen Veranda auf einen trostlosen Begräbniszug sehen kann, die Melancholie ist übermannend. In ‚Night of the Moon‚ fächert sich die E-Gitarre gar bis zur bedrohlich gen Sunn O)))-Drone wandernden Distortionschwangerschaft auf, während zuvor kaum mehr passiert, als dass ein verstaubter Vintage-Synthie (!) repetitiv seine Runden dreht, in ‚Birch Bark Box‚ später dem stockdunklen Reverb und Orgelteppich Tür und Tor öffnet und die schweren Vorhänge unerbittlich zuzieht.
Die Arrangements sind unter der drückenden Einsamkeit diesmal dennoch fürsorglicher ausgefallen, die Melodien weicher und beizeiten gar auf zerbrechliche Weise hoffnungsvoll, die einzelnen Songs haben mehr Raum um sich auszubreiten: In 46 Minuten zerrt ‚A Life Unto Itself‚ gerade einmal von 7 Nummern, die allesamt aufs Gemüt schlagen, schmerzlich intim einwirken und alleine aufgrund dieser unergründlichen, wettergegerbten, knochig-warmen, rustikalen Stimme von Von Till mit einer immanent dunklen Anziehungskraft versehen sind, die direkt das Unterbewusstsein anspricht. Alles hier gedeiht so langsam, unaufdringlich und demütig kriechend, als würde das erste Solo-Album des Amerikaners seit knapp sieben Jahren über solch trivialen Dingen wie dem Alltag oder gar der Zeit stehen, es formuliert eine weise Katharsis auf meditativen Niveau. Dieser Operationsradius setzt freilich immer noch die richtige Stimmung voraus, um einen solchen Trip angemessen genießen zu können, sich nicht im trotz allem spartanisch bleibenden Sound zu verlieren, denn immer noch ist es vor allem die Ausstrahlung der Songs, die am meisten fasziniert – alleine auf Songwriter-Ebene gelingt es von Till wie auch Neurosis-Kumpel Scott Kelly nicht über die gesamte Distanz vollends zu fesseln.
Was von Till aber ungeachtet dessen besser gelingt als auf seinen Vorgängerplatten ist, genau dort Akzente zu setzen, wo er die Dinge bisher zu gemächlich sich selbst überlassen wollte. In ‚A Language of Blood‚ schleppt sich also justament genau dann ein spärlich ausgelegtes Percussionset in Form eines keltischen VolksTodestanz, wenn die allgemeine Gangart der Platte im Gesamtem zu gleichförmig zu werden droht. ‚Chasing Ghosts‘ ist dann eine behutsam tröpfelnde Pianoballade im Bannkreis von Marissa Nadler, inmitten von gespenstischen Klangschichten grollt von Till wie eine müde Gottheit, die jeglicher Existenz überdrüssig ist. Das zwischen Chain-Gang-Gospel und Hydrauliktraktion ausladend in die Breite gehende Finale des überragenden ‚Known But Not Named‚ geht dagegen schon beinahe als progressives Experimentieren im von Till’schen Kontext durch.
Nichtsdestotrotz ist ‚A Life Unto Itself‚ vor allem eine Platte der kleinen Gesten mit markerschüttender Wirkung geworden, die homogene Weiterentwicklung von ‚A Grave is a Grim Horse‚ von 2008, die die fein nuancierten Erweiterungen in der Soundpalette – die freilich derart dezent ausgefallen sind, dass sie bei anderen, weniger traditionell verankerten Musikern wie von Till kaum derart auffallen würden – anstandslos in die ansonsten weiterhin so minimalistisch gehaltenen, akustikgitarrengestemmten Kompositionen im Spannungsfeld von abgründigem Dark Folk, apokalyptischem Americana und psychedelischem Country behaglich einwebt, und sich dabei wie eine Sammlung aus uralten Epochen überlieferter, aber bisher vergessener Traditionals direkt auf die eigene Seele legt.
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