Squid – Bright Green Field

von am 16. Mai 2021 in Album

Squid – Bright Green Field

Oft ist es nur kleiner Schritt zwischen funkensprühender Ambition und planlosem Übermut. Squid entscheiden sich mit ihrem Debüt Bright Green Field kurzerhand für den Spagat zwischen den Optionen.

Man kennt das von nahverwandten Inkubator-Kumpels wie Black Midi, Black Country, New Road, Goat Girl oder der restlichen Windmill Brixton-Posse bereits ganz ähnlich: Auch die Eklektiker von Squid pflegen strukturelle und stilistische Barrikaden einzureißen, als wollten sie sich trotz der Nähe des Post- und Dance-Punk, Experimental- und Art-Rock, Indie- und Kraut-Experimenten zum Mathrock keine Gedanken darüber machen, wann sich Musik extrapolieren lasse, wann überraschend herausfordern, und wann etwaige Überlegungen hinsichtlich der Stringenz im Songwriting überhaupt (nicht nur beim beim nach konventionelleren Formen verlangenden Ohr) überhaupt ankommen sollen. Squid gehören zu einer Generation, die sich wohl dabei fühlt, kompositorisch zu agieren, als wüsste sie nicht, wohin sie ihre Songs schicken oder auflösen wolle; die entweder Twists oder eine konstante Unverrückbarkeit nutzen, wo Spannungsbögen nicht schlüssig zu Ende gedacht werden (sollen).

Die Songs von Bright Green Field sind also überquellende Biotope, oft ziellos und dann wieder stromlinienförmig, selten kompakt und doch immer knackig, die von der theatralisch gestikulierenden, rezitierend intonierenden, immer auch ein bisschen affektiert phrasierenden Stimme von Schlagzeuger und Sprech-Sänger Ollie Judge mit motorischer Rhythmus-Präzision in einem assoziativen Reigen das Vermächtnis der Talking Heads, Television, The Fall oder Gang of Four mit dem Momentum von beispielsweise Fontaines D.C. und Shame aufwärmen, dabei aber über weite Strecken weniger bemüht praktizieren, als viele gleichaltrige Kollegen. Zudem ist Bright Green Field ein rundere Ganzes als vergleichbare Alben jüngerer Vergangenheit: man hört die 55 Minuten eher am Stück, denn in seine elf Mosaikteile selektiert – dass das Album alle vorauseilenden Singles der Band im Rückspiegel gelassen hat, macht spätesten jetzt schon Sinn – und erfreut sich weniger an einer emotionalen Tiefe, denn an einer smarten Spritzigkeit, einer übersprudelten Spielfreude, die etwas elektrifizierenderes hat, an dem kurzweiligen Überschwang, dessen Selbstverständlichkeit es beinahe egalisiert, dass nicht alle Ideen und Konstrukte hier restlos zünden.

G.S.K. konterkariert seinen an sich entspannten Groove mit dem aufbrausenden skandierten der urbanen Pharma-Texte, köchelt immer wieder auf, mal über die Gitarren, dann über die Streicher und letztendlich über Bläser, entscheidet sich sich aber für ein unbefriedigend in Luft hängendes Ende. Narrator wiederum wählt das andere Extrem, nachdem die Gitarren im Sinne der frühen Foals (noch so eine unbedingte, allgegenwärtige Referenz!) mathaartig ineinander plingen, der Rhythmus etwas abgeklärt hibbeliges hat und die elegischen Vocals von Martha Skye Murphy auf der Gästeliste sich somnambul an den stakkatohaften Judge schwelgen, der Song psychotischer und manischer angeschrammt stackst, flüstert, sich beruhigt, unterschwellig aufbrausend die Spannungsbögen neu zusammenzieht und sich zu einem – nein dem! – dezidierten Höhepunkt steigert, der dann mit seinem immer dringlicher vom Hauchen zur Extase intensivierten Gesang durch das Hintergrund-Geschrei von Murphy besonders exzessiv sein soll, aber auch gar zu schablonenhaft inszeniert ist. Weniger wäre hier mehr gewesen, die Katharsis wäre ebenso erreicht worden, aber nicht nicht auf derart formelartig konstruiertem Weg. Die Ausstiegsszenarien – die sind wie bereits erwähnt vorerst noch die Achillesferse von Squid.

Was sich praktisch stets aufs Neue demonstrieren lässt. Boy Racers tingelt oszillierend mit straffen Zügeln, dient vor allem als Laufstrecke für dystopische Lyrics, bevor sich der Song plötzlich in den aus dem Nichts kommenden Avantgarde-Ambient einer elektronischen Drone-Landschaft mit retrofuturistisch verzerrtem Cinemascope stürzt.
Paddling agiert dagegen von vorne bis hinten so straight und zackig, wie es auch Parquet Courts gefallen könnte. Documentary Filmmaker köchelt aus seinem jazzig angehauchten Delirium aufbrausend hoch und zieht sich dann wieder zurück, hinterlässt jedoch vor allem den Eindruck, dass Squid analytisch arbeiten – dem gegenüber steht ein intuitiv fahriges Fiebertraum-Intermezzo wie The Flyover oder das kontemplativ lauernde, pochende Noir-Saxofon-Meer von Global Groove, das als Ruhe vor dem letzten Ventil Pamphlet dient, in dem sich Judge erklärend aufreiben kann, Radiohead aus der Viagra Boys-und LCD Soundsystem-Perspektive sieht.

Noch besser ist nur das tolle 2010, das als Highlight wie ein zügiger Kniff von Amnesiac beginnt, dann aber doch auch eher am bistigen, bissigen Noiserock interessiert ist und sich für einen schlängelnden Kompromiss entscheidet, bevor auch das unruhige Peel St. seine Rhythmik neu ordnet, bounct anstatt zu zappeln, und sich nachher zur Versöhnlichkeit gegen den frickelnden Strich bürstet.
Hyperakiv und überlegt, aber subjektiv auch stets zu distanziert kalt lassend basteln Squid also allerhand starke, aber keine atemberaubenden Szenen im direkten Windschatten von Black Country, New Road, die das Momentum als Teil des Sounds von 2021 nutzen und wohl das bisher stärkste Gesamtpaket der hiesigen Szene liefern. Ohne Empathie zu verlangen, hat das aber wohl nicht die prolongierte aufregende Substanz, um den Hype von Bright Green Field über die kommenden Wochen hinaus zu befeuern, sehr wohl aber, um als exquisites Versprechen an die Zukunft durchzugehen.

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