Sprints – Letter To Self
Post Punk mit vehementer Garage-Attitüde und aggressivem Noise-Unterton, der alles daran setzt eine sinistre Euphorie zu entfachen: Sprints haben mit Letter to Self endlich ihr Debütalbum fertig.
Als hätte man nach den zwei EPs Manifesto (2021) und A Modern Job (2022) nicht ohnedies hart auf diesen ersten Langspieler der Band aus Dublin gewartet, wählen Sprints und ihr Management auch noch einen smarten Release-Termin, der dem Quartett – Karla Chubb (vocals, guitar), Colm O’Reilly (guitar), Jack Callan (drums), Sam McCann (bass) – praktisch ohne jedwede Konkurrenz in der ersten Woche des neuen Jahres exklusive Aufmerksamkeit garantiert.
Doch diese Songs wären zu keinem Zeitpunkt 2024 untergegangen – auch, weil sie ohne Trend-Anbiederung gut und gerne schon 20 Jahre auf dem Kerbholz haben könnten und gewissermaßen die Brücke vom Nachlass der Long Blondes zur dunklen Seite der Idles schlagen.
„Maybe I should do it better/ Maybe I should try it harder/ Maybe I should check the weather/ Maybe I should bring a sweater/ Maybe I should cut my hair off/ Maybe I should pray to der Retter/ Mutter, Vater, Geschwister!“ skandiert Chubb dennoch (an Schampus und Lachsfisch ge)mahnend im Opener Ticking, wobei sich die Band beinahe an einer anderen Front verzettelt – nämlich der Struktur des Songwritings: nach Ticking bedienen schließlich gleich noch Heavy und Cathedral, dazu später auch unter anderem Shadow of a Doubt (das herrlich düster pulsierend mit zusammengebissenen Zähnen angepisst in eine hymnische Tendenz stürzt) oder Up and Comer alle den selben MO, wenn das rezitierend polternde, verdichtende Element des aufgestauten Spannungsaufbaus vom energischen Tritt aufs Gaspedal gelöst wird und voller, punkiger Energie gerockt wird.
Dadurch bekommt Letter to Self eine vorhersehbare, zu genormt auftretende Schlagseite, die auch ein Händchen für catchy Szene-Hits samt einer Power-Performance nicht ganz übertünchen kann.
Allerdings zündet der Kniff nicht nur trotzdem jedes Mal dennoch ziemlich effizient, sondern werden Sprints im Verlauf auch immer besser darin, die gewisse Formelhaftigkeit ihrer Songs runder zu inszenieren (wie etwa im Distillers-artigen Adore Adore Adore, dem schmissigen Indie Kracher Literary Mind, der sich live von zahlreichen Stimmen befeuert als Kerosin erweisen sollte, oder dem mit mehr Groove shakenden Titelsong-Closer, der sich zudem einen schön kontemplativer Abgang gönnt).
Und dann sind da außerdem Szenen, die das Album als solches bereichern. Shaking Their Hands brutzelt über einem entspannten, fast elektrifizierenden Postpunk-Interpretation des Americana-Rock, mit unaufgeregt nach vorne treibendem Beat und lüftenden Acoustic-Gitarren, wo der Klimax ausnahmsweise in eine flächigere, sphärische Atmosphäre führt, die im besten Sinne an PJ Harvey denken lässt.
Can’t Get Enough of It galoppiert auf seiner wuchtigen Rhythmus-Abteilung in dieselbe Richtung, addiert mehr Shoegaze-Flair, und lässt den Refrain wie einen dröhnenden Indie Club drohen.
A Wreck (A Mess) probt dann den Umkehrschub zum üblichen Verhaltensmuster, wenn anstelle des nach vorne preschenden Chorus die Intensität ausnahmsweise nach innen gekehrt wird. Dass die Nummer wie einige Songs der Platte eine kleine Spur zu lange dauern und sich die insgesamt 40 Minuten von Letter to Self hier und da noch effektiver destillieren hätten lassen können, fällt dagegen kaum negativ ins Gewicht – und ändert nichts daran, dass Sprints mit ihrem Debüt die vehementen Vorschusslorbeeren sowohl rechtfertigen, wie anhand der Alben-Highlights sogar noch größere Versprechen für die Zukunft abgeben.
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