Springtime – Night Raver EP
Eine Standortbestimmung in der Ära der Pandemie, der Blick auf alternative Zeitachsen und das Aufsammeln loser Enden: Springtime fächern ihren anachronistischen Punk/Blues/Avantgarde/Jazz/ Noise Rock mit der Night Raver EP uns treiben ihn jenseits der griffigen Verdaulichkeit ihrer selbstbetitelten 2021er-Großtat auf die Spitze.
Kein Wunder, dass mittlerweile selbst die lebende Legende Guy Picciotto ob der australischen Allstar-Riege ins Schwärmen gerät, dehnen Gareth Liddiard (The Drones, Tropical Fuck Storm), Jim White (Dirty Three) und Chris Abrahams (The Necks) die auf ihrem Debütalbun erschlossenen Möglichkeiten doch mit der ihnen bereits typisch impulsiven Spontanität aus, alleine quantitativ: die drei Songs der Night Raver EP nehmen insgesamt 42 Minuten Spielzeit ein.
Nur der kürzeste Track der Platte (das abschließende Penumbra, das sich leider „nur“ als die längst bekannte, und hier etwas wahllos an das Geschehen gehängte Live-Version der Nummer entpuppt, wo doch eine Studio-Aufarbeitung sehr fein gewesen wäre) bewegt sich dabei noch in direkter Nähe von Springtime – die zwei restlichen Longtracks haben dann doch eine markant weitläufigere Umlaufbahn um den typischen Bandsound eingenommen.
The Names Of The Plague nimmt sich nämlich gleich einmal 15 Minuten Zeit und hat mit dem ehemaligen The Drones-Mann Dan Luscombe an der Baritone Guitar sowie Ian Duhig als Lyrics-Lieferant zwei alte Bekannte an Bord, um Gegenwärtiges aufzuarbeiten: “‘The Names Of The Plague’ is a little inventory of all of the pandemic’s unexpected side effects. A list of crappy little outcomes that’ll probably linger and wind up being as much a problem in the future as long covid.”
Für ein garstiges Schmuckstück von einer Springtime-Tirade winden sich jedenfalls die patentiert diffus-schwindsüchtigen Gitarren, das elegant torkelnde Piano und die versierte Percussion aus dem formlosen Jam, marschieren als loungiger Chain Gang-Drone flanierend und detoniert gegen den Strich des Noise Rock gebürstet mit punkiger Attitüde und heavy polternder Trance. Das rumpelt giftig kotzend, angepisst kratzend und beißend – nur um sich in den Suspence-Horror zurückzuziehen, wo die Nerven wie Drahtseile angezogen sind und die Spannungbögen gelöst den kakophonischen Flirt suchen. Denn natürlich findet die Band entlang einer furienhaften Performance von Liddiard zurück zur fiebrigen Manie mit dystopischer Textur.
Das folgende The Radicalisation of D stammt dagegen (als einer der überragesten Songs von Liddiard überhaupt) ursprünglich von Strange Tourist aus dem Jahr 2010, bleibt aber auch in den (dem – subjektiv unerreichbaren – Klassiker eine neue, eigene Identität verleihenden) Händen von Springtime ein herrliches Zuspitzen des Antiklimax.
Als eine ungemütlich-melancholische Kontemplation lauert das nun auf einer ebenso schönen wie unruhig wartenden Piano-Linie (anstelle der ursprünglichen Acoustic-Gitarre), was ein mulmiges Gefühl transportiert, als würde man weit entfernt am Horizont ein unvermeidbares Gewitter aufziehen sehen und deswegen die noch herrschende angenehme Schönheit des Augenblicks nicht unbeschwert genießen können – zumal Liddiard auch mit traurig-abgekämpfter Intensität erzählt, als gäbe es keine Hoffnung.
Überhaupt ist es einfach meisterhaft, wie die Spannung so subversiv köchelt und pulsiert, ohne dabei aber tatsächlich die Muskeln anzuspannen. Nach rund 14 seiner insgesamt 20 im Rausch verglühenden Minuten beginnt sich die Balance aus Contenance und unterschwelliger Dringlichkeit um Nuancen immer weiter ins Aufgebrachte zu verschieben, doch bleibt die angekündigte Hysterie aus. Liddiard un Co. verweigernd die naheliegende, zu einfache Auflösung des sich unendlich geduldig zuspitzenden Spannungsbogens und ebben das Drama unspektakulär ab. Die Art und Weise, wie Springtime ihre (leider nur digital veröffentlichte) Klasse auf der Night Raver EP so eindringlich unter die Haut gehend von der Leine lassen, ist auch ohnedies schon so aufregend.
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