Spotify, U2 und Apple – An der Kassa zum 1-Euro-Shop der Musik
Ein leichter Shitstorm weht wieder einmal durchs Netz. Der Grund: Ein milliardenschwerer Elektronikkonzern beschenkt (oder, je nach Lesart, zwangsbeglückt) seine 500 Millionen Nutzer mit einem exklusivem Gratisalbum einer millionenschweren Weltverbesserer-Band. So what, möchte man fragen. Wird der besagte Shitstorm und die Diskussion über die Qualität des besagten Albums aber beiseite gelassen, so ergibt sich die Möglichkeit einmal über den Wert von digitaler Musik im Jahr 2014 nachzudenken.
Für die meisten Beobachter ist das Geschenk des Apfel Konzerns an seine iTunes Nutzer eine unerwünschte Einmischung in die Privatsphäre und noch dazu eine Zwangsbeglückung mit Formatmusik. Ein Blick auf nackte Zahlen könnte aber auch auf eine perfidere Strategie hinter der Gratisaktion schließen lassen: Langsam, aber sicher bröckelt dem einstigen digitalen Marktführer iTunes der Umsatz aus dem mp3-Verkauf weg. 2013 markiert das erste Jahr seit dem iTunes-Start 2003, indem weniger einzelne Songs verkauft werden als im Jahr zuvor. Minus 5.7%, von 1.34 Milliarden Files auf 1.26 Milliarden, lediglich das Geschäft mit ganzen Alben stagnieren auf hohem Niveau. Dieser Abwärtstrend ist vor allem einen Trend in der Musikindustrie zurückzuführen, der immer mehr Künstler und Labels vor massive Probleme stellt: Streaming.
Nun gilt es Antworten auf diesen Trend zu finden, schließlich bedeutet weniger Geld für die Industrie auch weniger Geld für die schaffenden Künstler. Und hier kommt wieder Apples U2 Aktion ins Spiel: Durch solche timed-exlusive Aktionen wie jene mit ‚Songs of Innocence‚ (das Album erscheint analog am 18. Oktober) hofft man Spotify, Pandora und Co. ein Schnippchen schlagen zu können. Da Apple auf 160 Milliarden USD Vermögen sitzt und eine gewisse Marktmacht besitzt, kann es den Studios leichter solche Exklusivverträge „abpressen“ und so Inhalte schon vor der Konkurrenz exklusiv auf seinen Plattformen (iTunes, Beats Music) spielen. Für U2 war der Deal schon jetzt ein finanzieller Erfolg.
Weitergedacht: Um iTunes und insbesondere Beats Music als Streamingdienste zu stärken, könnte Apple mittelfristig auch die Mittelsmänner töten, sprich die Studios aus dem Geschäft nehmen und so sein Stück am Kuchen vergrössern. Diese oder ähnliche Ideen wird auch die Konkurrez entwickeln (müssen), falls es dafür noch nicht zu spät ist.
Eine Sichtweise geht aber in dieser Diskussion vollkommen unter: jene der Künstler. Für sie wird das bereits zitierte Stück vom Kuchen immer kleiner. In den vergangenen Monaten mehrten sich die Stimmen, die Spotify, den Platzhirsch am Streamingmarkt, offen für seine Zahlungspolitk kritisierten. Gerade kleinere Bands aus dem Indiebereich fühlen sich von den Streamingdiensten ungerecht behandelt und „ausgenommen“. Transparenz ist in dieser Industrie bekanntlich kein geläufiger Begriff, und das zeigt sich eben auch bei den Spotify und Co. Da die meisten finanziellen Daten unter Verschluss gehalten werden, ist es auch dementsprechend schwer die Zahlen zu überprüfen. Allerdings dürften die weit verbreitenden Streaming Modelle die großen, bekannten KünstlerInnen eher finanziell besser behandeln als kleinere Bands. So sorgte die kalifornische Cellistin Zoe Keating mit der Veröffentlichung ihrer gesamten Einnahmen aus sechs Monaten (Lesetipp) für Aufregung. Demnach stehen Erlöse von 75.000 USD aus dem digitalen Verkauf via iTunes und Co. Einnahmen von nur 6.000 USD aus diversen Streaming Diensten gegenüber. Und das bei einem klaren Übergewicht was die Anzahl der Streams betrifft. Zum Nachrechnen (in Euro): Binnen 6 Monaten hat Spotify für 72,800 Streams gut 246 Euro ausgezahlt, das macht 0,0034 Euro pro Song-stream.
Aber mit ihrer Kritik steht Zoe Keating nicht alleine da, auch Labels, Distributoren und andere Bands (Radiohead) ziehen ihre Songs von den Streaming Plattformen ab. Wieder ist der Grund der selbe: Intrasparenz bei den Zahlungen. So beklagte sich die Band Grizzly Bear (Brooklyn) via Twitter über die schlechten Spotify Konditionen. Für 10.000 Streams ihrer Songs habe sie gerade 10 Dollar bekommen. Laut Spotify wären für 10.000 Streams jedoch 60 bis 84 Dollar fällig. Wobei wieder niemand genau weiß, wie sich diese Beträge zusammensetzten. Wenn dann der Dienst selbst davon spricht, „ungenannten Künstlern“ Millionenbeträge auszuzahlen, liegt der Verdacht nahe, dass große Acts besser gestellt werden als kleine, unbekannte Künstler. Geld lässt sich folglich mit Musik kaum noch machen.
Spoitfy CEO Daniel Ek reagiert im WSJ.de Interview auf die Kritik der Musiker und Labels an Spotify wie folgt:
„Ich bin nicht überrascht, ich bin darüber betrübt. [Der Schritt von physischer Musik zu digitaler] ist der größte Wandel der Branche seit der Erfindung der Aufzeichnung. Wir verkaufen Zugriff, keinen Besitz – das ist etwas komplett anderes. Und, wissen Sie, Künstler sollten sich darauf konzentrieren, wie sie die Anzahl ihrer Kanäle maximieren, weil das wiederum langfristig besser für sie ist. Aber das ist für manche schwer verständlich: Sie alle sehen die Millionen Streams und sehen, wissen Sie, nicht Millionen von Dollar am Ende sondern nur Tausende Dollar und sie denken, dass das vergleichbar ist mit Millionen Downloads – was es offenkundig nicht ist.“
Also sollen kleine Bands mehr Selbstvermarktung betreiben um ihrem Profit zu erhöhen? Was zunächst durchaus logisch und sinnvoll erscheint, scheitert zumeist an den finanziellen Möglichkeiten kleinerer Bands, zumal Streamingdienstleister sehr wohl bestimmte Künstler pushen können. Dennoch spricht Ek einen wichtigen Punkt an: Spotify bietet als Werbeplattform durchaus Potential für unbekannte Künstler mit deren Hilfe die eigene Popularität erhöht werden kann, was im Idealfall zu mehr Einnahmen führt. Im Idealfall.
Deutlich pessimistischer als Daniel Ek ist hier Sven Regener, dessen Band Element of Crime bewusst auf Streaming Dienste verzichtet. Sven Regener im O-Ton:
Es ergibt keinen Sinn, die Musik zu veröffentlichen für das Geld, das bei den Streamingdiensten bezahlt wird. Das ist Quatsch. Für uns ist es völlig egal: egal, wieviel gestreamt wird, der Künstler hat davon nichts. (…) Wenn die Antwort auf Onlinepiraterie ist, dass wir die Musik selber verschenken, dann ist das Quatsch. Damit kann ich nichts anfangen. Ich weiß nicht, was die Plattenfirmen für Deals haben, dass sie glauben, dass sich das lohnt. Vielleicht fließt es auch an den Künstlern vorbei, jedenfalls lohnt es sich als Künstler nicht. Deshalb sind wir dagegen. Ich muss auch sagen: Wir machen keine Musik, die man im 1-Euro-Shop verschenkt. Für mich ist Streaming der 1-Euro-Shop der Musik, da will ich nicht unbedingt dabei sein. Vielleicht sind wir das mal irgendwann, aber dafür sehe ich jetzt keine Notwendigkeit.
Ob nun iTunes, Beats Music oder Spotify, die Musikbranche (wie auch unsere Hörgewohnheiten) steht vor noch gravierenderen Änderungen als sie es zu Beginn des Jahrtausends tat. Manche Medien (CD), Labels und Vertriebswege werden wohl endgültig sterben, manche werden unerwartet überleben (Vinyl; vielleicht sind es ja auch Tapes?), aber dafür wohl von einer verzweifelten Industrie bis zum Anschlag ausgepresst werden – Stichwort Limited Editions. Und das löst wirklich kein Problem.
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