Spiritualized – Sweet Heart, Sweet Light
Kein Meisterwerk, sondern ein gefälliges, leicht zu konsumierendes Stück Pop sollte das siebte Spiritualized Album werden. Im Rahmen seiner gegebenen Möglichkeiten ist es dann wohl auch ein solches.
Ein merkwürdiges Album, dieses ‚Sweet Heart, Sweet Light‚: Es ist darauf ausgelegt, zur Randnotiz in Jason Pierces beachtlicher Discographie zu verkommen, ‚Easy Listening‚ zu sein und die zugänglichste Route zu der Space Rock Hochburg Spiritualized zu werden. Dafür hat Alleinherrscher Pierce auch Songs ausgegraben, die für frühere Alben zu eingängig waren, die nicht ins Konzeptkorsett passten, die für Candi Staton gedacht waren und mit Dr. John geschrieben wurden. An ihnen und neuen Stücken hat Pierce über drei Jahre herumgeschraubt. Den Impuls dazu hatte Pierce ausgerechnet während der Konzerte, die das Genre-Referenzwerk ‚Ladies and Gentleman We Are Floating in Space‚ in seiner Gesamtheit zeigte, nach einer Unplugged Tour, nach dem zerfahrenen ‚Songs in A&E‚. Die Devise, „Zurück auf Los“. Und mag das herrlich entrückte Albumcover auch anderes suggerieren – so verwunderlich ist das alles nicht, was auf ‚Sweet Heart, Sweet Light‚ stattfindet, sondern Spiritualized in Reinform, Jason Pierce in Reinform: zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.
„Somethimes I wish that I was dead, ‚cause only the living, can fell the pain“ leidet Pierce melancholisch, während sich Streicher im Hintergrund an den leisen Bandsound schmiegen: ‚Sweet Heart, Sweet Light‚ hat sie wieder, die ganz große Geste, den Kitsch, den Pomp, das Pathos. Hinter Songs, welche die eine grandiose Idee feiern, um sie herum jubilieren, das volle Orchesterprogramm auffahren, Chöre mit ebensoviel Soul wie Power. Jason Pierce greift wieder nach den Sternen. Nach dem Spaghetti-Westernmärchen-Intro gelingt ihm das gleich bei der ersten Single: ‚Hey Jane‚ beginnt nach dreieinhalb Minuten dort, wo andere Songs enden, schauckelt sich nach dem abgespulten Rockprogramm zum psychedelischen Anlauf hoch und endet knapp vor der neun Minuten Grenze unweit der Hymne. Das braucht keinen zweiten Durchgang, um sich festzuhaken, das universelle Hitsongwriting, das scheint der depressionsgebeutelte Engländer zu beherrschen. Und doch: Gerade weil Pierce es sich mit der schunkelnden Gitarrenlinien leicht macht, lässt das auf Distanz etwas an Widerborstigkeit missen.
Da macht zwar gerade die Ziellosigkeit eines ‚Get What You Deserve‚ dessen Reiz aus, während aber das ähnlich driftende ‚Headin‘ For The Top Now‚ die Sache eigentlich auf den Punkt bringt. Im Grunde ist ‚Sweet Heart, Sweet Light‚ „nur“ Mehr vom Altbekannten, Spiritualized liefern, was man an ihnen lieben gelernt hat: Eine Platte, die sich in ihren Längen suhlt und selbst die Schwächen zelebriert, weil, wenn man sich drauf einlässt, doch wieder alles so wunderbar in die Arme nimmt. Die es sich leisten kann, immer wieder übers Ziel hinauszuschießen, Skizzen auf Hochglanz zu polieren und gegen Ende gar in die Knie zu gehen. Das tranige ‚Life is a Problem‚ hätte es dann wirklich nicht mehr gebraucht.
So wechseln sich auf ‚Sweet Heart, Sweet Light‚ Licht und Schatten in jederlei Hinsicht ab. Bleiben werden Breitwandleidenschaften wie ‚Too Late‚, was zum bisher schönsten gehört, das Pierce bisher geschaffen hat. Rührselige Weisheiten gepaart mit himmelschreiend erhabenen Melodienführungen: Der Schmalz trieft ohne Ende, gäbe es nur eine Steigerungsform für „Ballade„. Die zwischen Gospel und Rock rudernde Liebeserklärung ‚Little Girl‚, das majestätische ‚Freedom‚. Das sind Songs, die für die Momente im Leben kurz vorm Abspann geschrieben sind und die im abschließenden ‚So Long You Pretty Thing‚ gar noch ihren Meister finden wollen: Pierces Tochter Poppy hält da das Zepter einer Platte, die vor Liebe überzugehen droht, deren Ingredenzien über den Tellerrand schwappen und der es trotzdem nach mehr verlangt. Die während des Konsums alles bedeuten kann und danach wenig zurück lässt. Ein schwarzes Loch der Emotionen, in seiner Schönheit blendend.
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