Spirit Adrift – Curse of Conception
Curse of Conception demonstriert eindrucksvoll, dass nicht die quantitative Schaffenskraft die größte Stärke von Spirit Adrift darstellt. Es ist viel mehr die stete Evolution, die die Band während einer schier unermüdlich scheinenden Outputrate zelebriert.
Als wir Nathan Garrett das letzte Mal sahen, verdiente der Musiker aus Arizona seinen Lebensunterhalt schließlich noch vor allem als Tourbusfahrer von Pallbearer oder Khemmis, während Spirit Adrift ein Ein-Mann-Projekt war, aber auch mal eben innerhalb weniger Monate die Großtaten Behind – Beyond und Chained to Oblivoin aus den Ärmeln schüttelte.
Seitdem ist gerade einmal ein knappes Jahr vergangen. Zeit, in der aus Spirit Adrift (mit der Aufnahme von Jeff Owens, Chase Mason und Marcus Bryant) nicht nur eine vollwertige Band geworden ist, sondern sich der Wirkungskreis der Kombo über eine unheimliche Produktivität (Fraught With Peril, eine Split mit den Kumpels von Khemmis ist noch kein halbes Jahr alt) auch weit über die angestammte Kernzone hinausgewachsen ist: Im Herzen dieser Doom-Platte schlägt ein Herz für den Heavy Metal der 1980er.
Das eröffnende Earthbound gönnt sich in der Zeit der aussterbenden Songintros einen langen Atem, praktiziert einen akustischen Balladenbeginn, der in elaborierten Manierismen die Folklore von Master of Puppets oder Iron Maiden erzählt. Garrets Stimme überschlägt sich übermütig, verhaftet sich in einer über ihren Wohlfühzone phrasierenden Rock-Bereitschaft, die Band schleppt sich bald mit epischen Gitarrenfiguren durch eine frisch klingende Nostalgie. Im Midtempo strahlen die Soli immer wieder in den Himmel, Spirit Adrift walzen mit einer detailierten Versiertheit durch das Vermächtnis von Black Sabbath und ihrer zeitgenösischen Epigonen.
Der Titelsong bäumt sich erst windend auf, taucht danach mit griffigem Riffing umso nachhaltiger an, doch Garrett und Co. gehen niemals den einfachsten Weg – wollen Melodien und Facetten anschichten, variieren das Tempo und die Fallhöhe, kurbeln mit unterschiedlich eng gezogenen Spannungsbögen und finden ein erhaben perlendes Finale mit gedoppelten Leads, das nicht den alten Tourbuskumpels die Tränen in die Augen treiben wird. Schon hier funktioniert die Spannweite, die Curse of Conception vermessen will mit beachtenswerter Vollendung, greifen all die Dynamiken, Ideen und Motive absolut schlüssig ineinander und funktionieren auf dem Nährboden einer zutiefst eklektischen Referenzlastigkeit.
Spectral Savior sucht etwa die Hardrock-Essenz im Lehrbuch von Pentagram und findet eine regelrecht psychedelisch in den Folk schweifende Meditation, bevor das weitscheifende Instrumental Wakien und der etwas zu abrupt endende Closer Onward, Inward vor allem eine unbändige Leidenschaft für die frühen Metallica in ihrem traditionell verankerten Sound destillieren, ohne deswegen zum puren Tribut zu verkommen: Spirit Adrift haben hier trotz markanter Prägung mehr denn je ihre eigene Handschrift ausgearbeitet, feiern vor allem ihre Idole und die neu aufgetanen Möglichkeiten im Bandsound.
Wenn Garrett also etwa im extrem catchy daherkommenden Leviathan To Fly on Broken Wings stimmlich nicht vollends die Kraft in den Song pumpen kann, die die intensive instrumentale Seite der Nummer auf den ersten Blick fordern würde, oder das ergreifende, nachdenklich-nahbare und irgendwann mit viel Groove und Gefühl auf den Highway abbiegende Starless Age (Enshrined) mit ein wenig galliger Färbung in den Vocals die 90er-balladeske-Heavyness aufbläht, sind das vielleicht tatsächlich kleine Schönheitsfehler, fordern aber andererseits auch den eigenwilligen Charakter einer Platte, die in exaltierte Luftgitarrenexzesse verlieren und die Gedanken assoziativ schweifen lässt.
Curse of Conception zeigt damit eine Band, die zu imposanten Taten fähig ist, diese aber inmitten konzentrierter Akribie mit einer gewissen Unangestrengtheit wie nebenbei abruft; atemlos entlässt, wenn es sich anbietet, aber nicht mit ihrer Dominanz hausieren geht; vertrackt bleibt, und damit Reibungspunkte für die breiter gewordene Auftrittsfläche schafft. Dass dieses herrlich unmodern aus der Zeit gefallene – noch besser: zeitlos anachronistische – Zweitwerk Garrett und Co. also einen immensen Evolutionsprozess darstellt, bedeutet im Umkehrschluss keineswegs, dass man das Gefühl hätte, als wären Spirit Adrift hiermit bereits an ihrem Limit angekommen – im Gegenteil: Curse of Konzeption scheint erst ein grandioser Startpunkt in das zweite Leben einer der aktuell interessantesten, wandelbarsten und motiviertesten Bands da draußen zu sein.
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