Spidergawd – III
Auch weil Spidergawd keine Zeit damit verschwenden müssen nach passenden Albentitel zu suchen und darüber hinaus offenbar über einen unerschöpflichen Fundus an hässlich-bezaubernden Artworks und (viel wichtiger noch) großartigen Songs verfügen, ist ‚III‚ nicht weniger als das dritte brillante Album der Trondheimer seit 2014.
Zeit um sich warmzuspielen benötigt man nach dem 2015er-Geniestreich ‚II‚ dementsprechend keine, die Rock-Motoren der Norweger sind unmittelbar auf ekstatischer Betriebstemperatur. ‚No Man’s‚ biegt also direkt hinüber auf die Überholspur, macht vom ersten Moment an Druck, zieht die Spannungsschrauben eng, und lässt dem Hardrock nicht die Ambition ausgehen. Wie unfassbar vital und hungrig ein reichhaltiger Erfahrungsschatz zünden kann: Bitte hier nachhören.
Spidergawd agieren damit auf bekannter Basis freiheitsliebend wie eh und je: Die Gitarrenarbeit sehnt sich über dem so knackig arbeitenden Rhythmusmotor permanent nach dem Epischen, will hinaus in die Weite, sucht das Abenteuer und den Nervenkitzel im waghalsigen Ausblick. Vielleicht ist es genau dieser generelle Kniff – das Ausufernde, Getriebene im kompakten Fokus – zu finden, der ‚III‚ innerhalb der so schnell wachsenden Discographie der Band seine ganz eigene Individualität verleiht, ohne auch nur ansatzweise auf die über die Vorgänger installierten Trademarks zu verzichten: Das Saxofon von Rolf Martin Snustad assimiliert den typischen Spidergawd-Sound, während sich der offenkundige Blues-Anteil zugunsten einer deutlicheren Progressive-Liebe zurücknimmt. Auch bei einer derart hohen Taktfrequenz an Veröffentlichungen geht der Band also vorerst nicht die Fantasie aus, wenn es darum geht, ihr Genre ordentlich durchzulüften und technische Makellosigkeit mit reinem Understatement zu servieren.
Der Beginn von ‚El Corazon Del Sol‚ gehört so etwa alleine seiner umheimlich mitreißend auf den Punkt gebrachten Drumarbeit samt Cowbells, danach brät der Song mit monströser Coolness, schmissig und direkt, aber nicht eingeengt: Per Borten weiß verdammt genau, wo seine Songs hin sollen, dirigiert die wieder so imposant groovende Rhythmussektion um Bent Sæther und Kenneth Kapstad (diesmal auch mit Songwriter-Credits) dicht gestaffelt, aber uferlos. Wie nahtlos der Fluss an Ideen hier ineinander übergreift, beweist dann das großartig hinausgeblasene Saxoxonfinale, das im Grunde vor allem den idealen Fugenkitt zum entwaffnend schmissigen ‚Best Kept Secrets‚ besorgt: Hier fressen die Queens of The Stone Age mal wieder Staub.
Stichwort Dominanz und Ressourcenoptimierung: ‚The Funeral‚ stemmt und hämmert seine Beine monolithisch in den Boden, kaum sonstwo wird der Bläsereinsatz derart organisch grundierend verwendet, bevor der finale Gitarrenabgang mit der Zunge schnalzen lässt. Noch mehr Raum bekommt das Saxofon dann im lässig aufmachenden ‚Picture Perfect Package‚, in dem sich Snustad kurzerhand die Melodie im Refrain schnappt und der Schweiß in Strömen aus der dann beinahe verschmusten Lederjacke rinnt.
Am markantesten destillieren Spidergawd die Essenz der Platte jedoch im abschließenden, dreiteilig über 15 Minuten Spielzeit gespannten ‚Lighthouse‚: Ein ohne Bruchstellen gewachsener Ausritt, der Elder-Frontmann Nick DiSalvo vor allem im ausfransendenen Finale wieder zu Lobeshymnen hinreißen sollte. Spidergawd marschieren erst gen Stooges, nicht ohne Lust auf Psychedelik, aber so lässig, wie Iggy das selbst leider schon lange nicht mehr ist, bevor die Band plötzlich in der Wüste erwacht, trippig und am Stoner entlang halluzinierend. Led Zeppelin nicken anerkennend, während das Quartett aus Trondheim sein Instrumentarium fiebrig in einen Jamrausch treibt, der sich schon beinahe transzendental auflöst. Wie verdammt gut muß das alles erst live wirken?!
Erst einmal entschwunden, hätte ‚Lighthouse‚ dann auch gut und gerne dreimal so lange gedauert haben dürfen, denn um es noch einmal explizit zu erwähnen: Es gibt in dieser Schiene derzeit kaum eine Kombo, der es (bereits auf Konserve) derartigen Spaß macht zuzuhören, wahrscheinlich keine, die ihre Spielfreude derart effektiv ummünzt. Die Hoffnung, dass es insofern abermals nicht allzu lange dauern wird, bis die Spidergawd-Reise weitergeht, ist deswegen aber nur ein Gedanke während der hartnäckigen Heavy Rotation von ‚III‚; die hier so infektiös ausgebreitete Maximalauswertung aus Quantität und Qualität, die auch dann noch euphorisierend und berauschend begeistern wird, wenn das Mutterschiff Motorpsycho in ein paar Wochen erst einmal mit neuem Material niederschlagen wird, ein anderer. Der wichtigste aber: Spidergawd haben ein Patent auf eine immanente, erfrischende Zeitlosigkeit.
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