Spectral Lore & Mare Cognitum – Wanderers: Astrology of the Nine
Sieben Jahre nach Sol schließen sich Spectral Lore und Mare Cognitum neuerlich zusammen, um die kosmischen Weiten unseres Sonnensystems auf Wanderers: Astrology of the Nine noch ausführlicher mit atmosphärischem Black Metal zu erkunden.
„Wanderers: Astrology Of The Nine is a thematic journey through our solar system, illustrating and anthropomorphizing it into mythology which parallels our own humanity with the science of these mysterious formations. Inspired by Gustav Holst’s Planets suite, we continue the exploration we began many years ago with Sol, we traverse outwards from the sun to each planet, weaving fables through a synthesis of their distinct physical features and a mythical personhood representing these features.”
Die Ambitionen sind also gestiegen. Und mit einer Spielzeit von beinahe zwei Stunden ist die neuerliche Zusammenkunft deswegen auch alleine quantitativ ergiebiger ausgefallen, wobei das Verhältnis der Substanz-Zusammensetzung sich mittlerweile geändert hat: Wo Sol von beiden Parteien noch zu gleichen Teilen mit je einem eigenen Song bedacht, bevor das letzte Drittel mit einer gemeinsamen Kooperation aufgewogen wurde, gibt es diesmal mehr oder minder im Wechselspiel vier Nummern von Mare Cognitum und ebenso viele von Spectral Lore, dazu zum Abschluss nur eine zweiteilige Zusammenarbeit.
Was insofern schade ist, weil die eigenen Stücke trotz minimaler Qualitätsschwankungen zwar mindestens auf gewohnt hohem Niveau der jeweiligen Diskografien abliefern, doch erst in der Synergie herausragendes entsteht.
Mehr noch – das abschließende Pluto gehört mit zum besten, was sich am Firmament des Genres im Jahr 2020 abspielen wird: Wo Pluto (The Gatekeeper) Part I: Exodus Though the Frozen Wastes seinen Drone als kristallin funkelnder Space Ambient abgründig und pastoral zu den Außenposten unseres Sonnensystems im Kosmos schickt, beeindruckt Pluto (The Gatekeeper) Part II: The Astral Bridge mit vertrackter Rhythmik am Industrial, schwelgt in hymnischere Träumen und bricht dann mit thrashig beißender Intensität aus, kraftvoll von der Tarantel gestochen, solierend und wütend – eine Black Metal-Machtdemonstration als mitreißende Katharsis, ein pures Hochgefühl.
Der Weg dorthin bereitet dieses Finale aber durchaus adäquat vor, demonstriert die individuellen Stärken von Ayloss (Spectral Lore – zuständig für das freigeistiger auftretende, unorthodoxe Kunstwerk) und Jacob Buczarski (Mare Cognitum – die eher straighter packende Seite der Medaille mit weitschweifender Atmosphärearbeit) mit wechselnder Imposanz.
Spectral Lore eröffnet den Reigen mit Mercury (The Virtuous), gebiert aus White Noise-Soundschleifen tackernden Black Metal, die Gitarren jubilieren hymnische Melodien, das keifende Gebrüll kotzt. Das grandiose Earth (The Mother) wird später ruhiger und getragener der Melancholie folgen, epische Leads brechen zu einem Husarenritt mit Spannung aus. Saturn (The Rebel) ist lange ein sedativ suchendes Stück Ambient-Trance, malträtiert dann doch lieber Säure würgend einen halluzinogen aufgelösten 70er Jam, sucht den Kontrast aus strukturoffen Classic Rock-Versatzstücken als Prog-Morgentau im Hexenwald, bevor Uranus (The Fallen) vor allem vom knubbelig den Okzident verlassenden Bass lebt, der die psychedelische Seite der Nummer unterstreicht. Irgendwann taucht die Nummer ohnedies in eine mystische Rezitation ab, flüstert und klimpert – nur das neuerliche Black Metal-Aufkochen im Appendix ist willkürlich und unnötig.
Mare Cognitum zieht die Konturen im Mars (The Warrior) dagegen enger und ballert kompakter, griffiger und muskulöser. Venus (The Priestess) ist eine flächig gemalte, pittoreske Schönheit, immer der Harmonie verpflichtet. Die Gitarren spielen triumphierende Melodien, doch auch abseits davon gibt es technisch so viele relevante Ideen in den Drums und und den Bassläufen zu entdecken, wenn die Nummer beinahe esoterisch transzendiert. Jupiter (The Giant) wattet vom Klangmeer zum kontemplativen Sinnieren, transportiert seine traurige Sehnsucht mit verzweifelt Leidenschaft und Postrock-Eleganz zu einem garstigen Appendix – danach erscheint das konventionellere Neptune (The Mystic) einfach weniger essentiell.
Dass insofern (aber ungeachtet etwaiger Schönheitsfehler) keine der beiden stark abliefernden Parteien als klarer Gewinner aussteigt (subjektiv Spectral Lore mit dem experimentelleres Wesen aber die Nase doch dezent vorne haben), ist durchaus symptomatisch: Hier gibt es keine Verlierer – höchstens all jene, die das streng limitierte Vinyl-Angebot verpasst haben.
1 Trackback