Spanish Love Songs – Brave Faces Everyone

von am 5. Februar 2020 in Album

Spanish Love Songs – Brave Faces Everyone

Regeln Spanish Love Songs nach dem bereits so euphorisch vielgelobten Vorgänger Schmaltz mittels Brave Faces Everyone womöglich nun endgültig die Wachablösung für ihre ursprunglichen Soundpaten von The Menzingers?

Tatsächlich bringt sich die Band von Dylan Slocum auf ihrem dritten Studioalbum endgültig dazu in Position, auch wenn es in Summe vielleicht (noch) nicht in letzter Konsequenz zu einem Wechsel an der Speerspitze der Szene kommt. Weil die Menzingers als zwangsläufigste Referenz für die (trotz einer mittlerweile ebenfalls etwas sauberer gewordenen Produktion) angriffslustiger und ungeschliffeneren auftretenden Spanish Love Songs zwar mittlerweile den deutlich schwächeren Sound pflegen, aber im Idealfall (und selbst mit ihren Heydays im Rückspiegel) noch die minimal besser nachwirkenden, stärker akzentuiert zum Klassiker herausragenden Songs schreiben.
Viel Luft nach oben lässt Brave Faces Everyone dann allerdings so oder so nicht mehr, einigt mit runderen Songs und großer Geste, mehr Storytelling auf einer breiteren Basis, sowie einer (spätestens hinterrücks) zündenden Hitdichte das Publikum und setzt über den mittlerweile weggefallenem Überraschungseffekt entlang bekannter Elemente zwar beim Vorgänger Schmaltz an, reifer aber nach dem ersten Enthusiasmus sogar überzeugender.

Der gemeinsame Nenner für die schmissige Anhängerschaft von eben den Menzingers über Iron Chic, für die emotionale Katharsis von Hotelier bis hin zu Manchester Orchestra, und jenen Punks, die auch auf die countryeske Bodenständigkeit von Springteen abfahren, ist gefunden, eint eine unverkennbare Sehnsucht als Motor – und Spanish Love Songs waren ja immer schon vor allem ein Mittel zur Selbsttherapie.
In unserem Genre mag es viele romantische Bands geben, aber das ist nicht meine Art. Ich bin kein besonders sentimentaler mensch, und Nostalgie fühlt sich für mich komisch an. Vielleicht hätten wir mehr Erfolg, wenn wir auf Leute abzielen würden, die den Gefühlen ihrer Jugend nachtrauern, aber ich konzentriere mich lieber auf das Hier und Jetzt.
Diese Diagnose von (dem ja eigentlich auch nicht vom Erfolg mißachteten) Slocum muß man deswegen nicht zwangsläufig unterschreiben. Immerhin findet der unlängst endgültig aus der Fimbranche umgesattelt habende Frontmann all das, die besagte Nostalgie, die zitierte Romantik und den fesselnden Wehmut, halt kurzerhand im Augenblick, dem vibrierenden Momentum.

All der Haarspalterei im Wachstumsprozess der Band beiseite lassend scheinen ohnedies andere Facetten von Brave Faces Everyone wichtiger. Etwa, dass die nunmehr auch gemäßigtere Gangart des Songwritings der Dynamik des Albumflusses und dem übergeordneten Spannungsbogen ganz allgemein verdammt gut tut. Zumindest wird die auf den ersten Blick durchaus penetrante Repetition, mit der etwa Self Destruction (As a Sensible Career Choice) – als direkt verlängerter Arm des starken Openers Routine Pain – unbedingt auf Nummer Sicher in Sachen Ohrwurm gehen will, von der Aufdringlichkeit durchaus zu einem Grower, der sich vielleicht keineswegs resistent gegen Abnutzungserscheinungen zeigt, aber die bisher geradezu zwanghafte Sucht nach Hymnen mit dem Vorschlaghammer nunmehr nachhaltiger im Griff hat.
Selbst damit, dass Slocum nahezu jede Nummer mit schwülstig vibrierender, vor plakativer Leidenschaft bebende Stimme intoniert – und damit gerade in den rezitierenden Passagen wie eine bemühte Reminiszenz an mewithoutYou anmuten kann – lässt es sich erstaunlicherweise ebenso gut leben, wie der phasenweise immer noch arg im Selbstmitleid suhlende Ausrichtung der Platte, weil dieser MO keine ermüdenden Frustrationsbrüche kennt, wenn ein leiser, latenter Optimismus ein wichtiges Stichwort wird, sobald es um die überzeugender ausgewogene Balance der Performance und Kompositionen geht.

Also woran soll man zuerst sein Herz verschenken, sich im Sturm erobern lassen? Vielleicht an das gleich so beschwörende, ekstatisch Aubäumen von Routine Pain, bevor hinten raus das Tempo dramatisch rausgenommen wird, um sich auf ein theatralisches Plateau zu hieven. Die über Gebühr ausgereizte Catchyness von Generation Loss mit ihrer emotionalen Teenage Angst der Milleniums-Generation, die Tempo und Intensität variiert. Wenn der Menzingers-Windschatten Kick so ehrlich und authentisch zündet wie möglich. Eventuell daran, dass sas entschleunigte Beach Front Property aus seiner Melancholie heraus die Zügel im Refrain energisch enger zieht und nostalgisch Richtung Heartland klimpert, während Losers  mit ordentlich Drive nach vorne geht und zeigt, dass gerade die am einfachsten gestrickten Nummern die zwingendsten Singles sein können.
Optimism (As a Radical Life Choice) wählt als rumpelndes Acoustic-Stück den Groove, wächst dann immer weiter an, baut sich fast bombastisch auf, kippt von der instrumentalen Bandbreite in die Intimität und stampft von dort wieder zurück, während das rhythmusgetrieben grummelnde Losers, Pt. 2 schnell etwas episch flehendes einverleibt und das atmosphärische Dolores lange geduldig entschleunigt, um leider nur mit angezogener Handbremse zu explodieren.
Spätestens der dringliche Closer und Mehr-oder-Minder-Titelsong lässt dann auf der Überholspur eigentlich sogar noch alle mutwilligen Vergleichswerte mit etwaigen Idolen und Vorbildern obsolet werden, wenn Spanish Love Songs doch noch das eine Puzzlestück liefern, das Brave Faces Everyone in Summe dann eben doch ein wenig gefehlt hat, indem die finalen Sekunden die Gänsehaut aufstellen: „We don’t have to fix everything at once / We were never broken / Life’s just very long / Brave faces, everyone„.

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